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»Handball muss Kult werden«

Erst-Bundesligist TuS N-Lübbecke will die Menschen wieder begeistern

Lübbecke (WB). Seit dem 7. Dezember ist Jens Pfänder nicht nur Trainer, sondern auch sportlicher Leiter des TuS N-Lübbecke. Bei vier Fragen äußerte sich Jens Pfänder zu den vor ihm liegenden Aufgaben:

Herr Pfänder, Sie sind neben der Trainertätigkeit nun auch für den gesamten sportlichen Bereich beim TuS N-Lübbecke zuständig und verantwortlich. Welche neuen Akzente sollen Sie setzen?

Jens Pfänder: Da gibt es mehrere. Einer davon ist ein Jugendförderkonzept, das wir umsetzen wollen. Die HBL wird künftig von den Bundesligisten eine durchgängige Jugendarbeit fordern bzw. wird Vereine, die Jugendarbeit machen, belohnen. Erste, sehr positive Gespräche mit dem TuS Nettelstedt haben wir schon geführt und wir streben auch die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen aus der Region an. Ein anderer Schwerpunkt wird darin liegen, die Menschen wieder für den TuS zu begeistern und die Kreissporthalle mittelfristig wieder zu einer Festung zu machen. Handball in Lübbecke muss wieder Kult werden. »TuS - KultPur« ist da unser Arbeitstitel.
Künftig werden wir auch an die Schulen gehen. Unsere Spieler werden in den Schulen Handballstunden anbieten und darauf hinarbeiten, die Kinder und Jungendlichen für den Handballsport und natürlich auch für den TuS N-Lübbecke zu gewinnen. Die zuletzt eingeschlafenen Beziehungen zum Stammverein sollen belebt werden. Erste gemeinsame Aktionen haben wir schon verabredet.
Und für die Zuschauer haben wir uns auch einiges ausgedacht, was nach und nach rund um die Spiele stattfinden soll. Erste Ergebnisse werden schon beim Heimspiel gegen Düsseldorf zu sehen sein. So kosten alle Getränke nach dem Spiel nur einen Euro und unser DJ wird im Foyer für Stimmung sorgen. Wir arbeiten daran, die After-Game-Partys zu etablieren.
Wir wollen - im Rahmen der heutigen Gegebenheiten und Vorgaben - zurück zu den Wurzeln. Die Tradition beleben. Auf die Stärke der Region und die Handballbegeisterung der Menschen bauen. Präsent sein. Den Kontakt suchen, halten und verbessern. Doch wir brauchen noch ein wenig Zeit, um uns in die Details einzuarbeiten. Nach der WM-Pause können wir da sicher mehr sagen.

Der TuS steht derzeit in der Tabelle recht weit hinten. Ist das im Hinblick auf Neuverpflichtungen nicht ein großes Problem? Wie wollen Sie potenziellen Neuzugängen gegenüber der starken Konkurrenz den TuS N-Lübbecke schmackhaft machen?

Jens Pfänder: Durch ehrliche und offene Kommunikation und ein gutes Konzept für die Zukunft. Der Spieler muss eine Perspektive sehen und die können wir ihm bieten: Er kann sich entwickeln. Ein wichtiges Argument für junge Spieler. Zunächst muss ich aber feststellen, dass wir in der Handballwelt einen sehr guten und soliden Ruf besitzen. Jeder Spieler weiß, dass er hier sein Geld pünktlich und über die gesamte Vertragslaufzeit bekommt und nicht drei Monate nach der Vertragsunterzeichnung Gefahr läuft, die Pistole „freiwilliger Gehaltsverzicht, sonst Insolvenz“ auf die Brust gesetzt bekommt. Das ist, gerade für ältere Spieler, die Familie haben, ein großer Pluspunkt. Zudem hat der TuS eine große Tradition, die Menschen sind handballverrückt und können etwas mit dem Sport anfangen. Das war zum Beispiel bei Branko Kokir ein Grund, zu uns zu wechseln. Als kleiner Verein kümmern wir uns intensiv um die Spieler, die sich erfahrungsgemäß schnell in der Handballstadt Lübbecke wohlfühlen.
Zudem - und auch das ist wichtig für viele Spieler - sagen wir ihnen von Anfang an, was wir von ihnen erwarten, welche Rolle sie in der Mannschaft spielen sollen und vermitteln ihnen das Gefühl, genau sie haben zu wollen. Und das nicht, damit sie die Bank wärmen. Jeder weiß, woran er ist. Und gerade junge Spieler haben bei uns die Möglichkeit, Spielpraxis zu sammeln und sich zu entwickeln. Dirk Hartmann und Rolf Hermann sind die besten Beispiele.
Wenn wir diese Punkte vermitteln und uns intensiv um die Kandidaten bemühen, können wir mit den genannten Pluspunkten uns womöglich auch gegen höher dotierte Konkurrenzangebote durchsetzen.

Wie bekommen Sie Ihre Tätigkeiten als Trainer, sportlicher Leiter, Bundeslehrwart, Vorstand der Deutschen Handballtrainer Vereinigung und die Familie unter einen Hut?

Jens Pfänder: Die Lehrwartstätigkeit fällt ohnehin größtenteils in die spielfreie Zeit. Zudem nimmt mir Rolf Stratemeyer beim DHB viel Organisatorisches ab. Hier beim TuS habe ich die Unterstützung von Zlatko Feric, der mich auch zeitlich entlastet. Mein Amt bei der DHTV werde ich - wie schon vor längerer Zeit angekündigt - nach der Weltmeisterschaft niederlegen. Meine Familie und ich haben einen Modus gefunden, wie wir uns regelmäßig sehen können. Sonntags bin ich in Dortmund und oft besuchen sie mich in Lübbecke und übernachten in meiner Wohnung. Insofern sehe ich keine Probleme. Es ist alles eine Frage der Organisation und der Kommunikation.

Wie wichtig sind die Fans in Ihrem Konzept?

Jens Pfänder: Sie sind absolut unverzichtbar und die Seele des TuS N-Lübbecke. Ich glaube nicht, dass ein anderer Bundesligaverein einen so gut organisierten Fanclub hat, wie die »Red Devils« es sind. Wir freuen uns jedes Mal, bekannte Gesichter in den auswärtigen Hallen zu sehen und über die Unterstützung, die alles andere als selbstverständlich ist. Wir können als kleiner Verein gegenüber der Konkurrenz nur dauerhaft bestehen, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen und mit Begeisterung bei der Sache sind, wenn wir die Kreissporthalle wieder zu einem »Tollhaus« machen, vor dem auch Mannschaften wie der THW Kiel Respekt haben. Wir wollen bewusst einen Kontrapunkt zu den seelenlosen Multifunktionsarenen setzen. Dafür brauchen wir jeden Zuschauer, jeden Fan und jede helfende Hand, um den TuS als sportliches Highlight der Region zu erhalten. Klasse finde ich, dass die »Red Devils« ihre Unterstützung auch als Hilfe bei verschiedenen Aktionen rund um die Spiele angeboten haben.

Artikel vom 22.12.2006