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Als der kleine Wilhelm 1923 Bonbons von Königin Wilhelmine bekam

In 90 Jahren hat Wilhelm Peitz viel erlebt - Erinnerungen eines Zeitzeugen in Schriftform

Von Hans Büttner (Text und Foto)
Haaren (WV). Er ist Jahrgang 17, geboren und aufgewachsen im Delbrücker Land, war U-Bootfahrer im Krieg und bis 1977 mehr als 40 Jahre Polizist in Haaren. Wilhelm Peitz, 89 Jahren alt und voller geistiger Frische, kann auf ein Leben zurückblicken, das geprägt wurde von unzähligen Erlebnissen, Ereignissen und Aktivitäten.

Das alles war Anlass genug für den Delbrücker Gerhard Kretschmann, diese umfangreichen Zeitzeugenschilderungen in Form eines Schriftwerks niederzuschreiben und somit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In mehrmonatiger Arbeit, die erst oft mitten in der Nacht endete, schrieb er auf dem heimischen PC die Erinnerungen und Erlebnisse von Wilhelm Peitz nieder.
So ist ein 100 Seiten umfassendes Heft entstanden, das nicht nur viele Ereignisse in die Erinnerung zurückruft, sondern auch viele Hintergrundinformationen liefert und durch eine Reihe von Anekdoten und Fotos angereichert ist.
Kennen gelernt hatten sich Wilhelm Peitz und Buchautor Gerhard Kretschmann auf einer Familienfeier. Schnell kam man ins Plaudern und es reifte der Entschluss, den Erinnerungsschatz des Wilhelm Peitz niederzuschreiben. »Wilhelm Peitz hatte seit 1939 Tagebuch geführt und die Erlebnisse chronologisch zusammengestellt. Das war natürlich eine hervorragende Basis«, erinnert sich Gerhard Kretschann.
Schon auf den ersten Seiten des Buches kann Kretschmann von einem besondern Erlebnis des Knaben Wilhelm berichten. Da kam es nämlich zu einer zufällige Begegnung mit der holländischen Königin im Delbrücker Land. Das war 1923. Wilhelm war mit Mutter Katharina auf dem Feld beim Kartoffelhacken, als ein großer offener Wagen mit vornehmen Damen im Fond, anhielt. Sie riefen den kleinen Wilhelm zu sich und schenkten ihm Süßigkeiten. Schnell sprach es sich in der kleinen Dorfbauernschaft herum, das Wilhelm die Leckereien von der holländischen Königin Wilhelmine erhalten hatte.
Nach dem Besuch der Volksschule in Delbrück von 1924 bis 1931, folgte eine Ausbildung zum Schmied und anschließend die Einziehung zum Reicharbeitsdienst. Am 10. Oktober wurde das Unterseeboot U 38 sein Dienstort. In vielen Meeren der Welt war dieses Boot in harte Kämpfe verwickelt. Das Glück war Wilhelm Peitz auch im weiteren Verlauf des Krieges holt.
Es blieb ihm auch treu nach seinem Wechsel auf U 331. Manchmal war es ein Torpedo, der nur knapp am Bug vorbei zischte, ein anderes Mal ein Flugzeugangriff. Als am 13. November 1942 U 331 bei einem Fliegerangriff versenkt wurde, war Wilhelm Peitz auf einem Lehrgang.
30 Kameraden kamen um. Tief in seine Erinnerungen eingegraben hat sich auch ein weiteres dramatisches Erlebnis. Kurz vor Kriegsende war Wilhelm Peitz mit einem Verkehrsboot von Neustadt nach Travemünde unterwegs, als in den frühen Morgenstunden drei englische Bomber über sie hinweg donnerten und in etwa zwei Kilometer Entfernung das Flüchtlingsschiff »Arkona« versenkte. 7000 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme kamen dabei ums Leben.
Den beruflichen Einstieg als Polizist hatte Wilhelm Peitz am 1. Juli 1945 als Hilfspolizist in Delbrück. Am 1. August wurde er Polizeibeamter in Bentfeld, wozu auch die Ortschaften Scharmede, Leste, Heddinghausen und Anreppen zählten. Diebstahldelikte Raubüberfälle und Mitarbeit bei der Entnazifizierung gehörten in den Nachkriegswirren zu den Einsätzen. 1947 erfolgte die Versetzung nach Haaren.
Unter welchen Bedingungen die Polizei damals ihren Dienst zu versehen hatte, wird auch daran deutlich, dass Wilhelm Peitz, wenn er einen Gefangenen einsperren wollte, diesen an den Sozius seines Mopeds festband und ihn dann zur Arrestzelle nach Atteln brachte.
20 Mark Entschädigung erhielt der junge Polizist nach einem Einsatz, bei dem er drei Messerstiche in den Oberschenkel abbekam. Kein Schmerzensgeld allerdings, sondern eine Entschädigung für die kaputte Unterhose.
Unvergessen ist für Wilhelm Peitz auch seine Mitarbeit bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Sachen KZ Niederhagen in Wewelsburg und der Hochwasserkatastrophe 1965 in Etteln, wo Polizeihauptmeister Peitz von der ersten bis zur letzten Minute im Einsatz war.
Neben seinem Einsatz zum Wohl der Menschen in seiner Heimat war Wilhelm Peitz auch über Jahrzehnte in vielen Vereinen und Institutionen aktiv und hat dabei oft maßgebliche Entscheidungen getroffen und umgesetzt. So war er fast 50 Jahre Aufsichtsratsmitglied in der Kleinsiedlergenossenschaft Büren, Gründungsinitiator- und langjähriger Vorsitzender des Haarener Verkehrsvereins, Ortsheimatpfleger, Mitglied des Stadtrats der Stadt Wünnenberg von 1975 bis 1989 und Stadtheimatpfleger.

Artikel vom 29.12.2006