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Blick vom Gut auf die Stadt erhalten

Heimatverein gegen Ausbau B 1

Paderborn (WV). In einem Offenen Brief an die Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl und den NRW-Minister für Bau und Verkehr Oliver Wittke hat sich der Heimatverein Paderbom gegen die bisherigen Planungen für den Ausbau der B 1 im Bereich des Gutes Warthe ausgesprochen.
Der Verein befürchtet die Zerstörung einer topographischen und baulichen Situation im Bereich der früheren Paderborner Landwehr, die zu den wichtigsten prägenden Elementen des Stadtbildes zähle. Darüber hinaus teilt er die anderen bisher vorgebrachten »gravierenden Bedenken«, die gegen die geplante »drastische Tieferlegung der B 1« sprechen. Vorsitzender Gerhard Sander verweist dabei auf die »bisher völlig unzureichend untersuchten hydrologischen und geologischen Verhältnisse«, Probleme beim Lärmschutz durch eine Brücke über die B 1, die Vernichtung des alten Eichenbestandes im früheren Gutspark, »unzumutbare wirtschaftliche Folgen« für Eigentümer und Mieter des Gutes Warthe, eine drohende Entwertung der Grundstücke im benachbarten Neubaugebiet sowie ungeklärte EU-rechtliche Fragen.
Gemäß seiner zentralen Aufgabe der Stadtbildpflege erhebt der Heimatverein besonders die folgenden Einwände:
l »Durch eine Tieferlegung der B 1 wird der topographische Zusammenhang der früheren Zollstation mit dem Hellweg als einer der wichtigsten alten Fernstraßen Deutschlands aufgehoben. Diese historische Situation ist in Westfalen nur noch selten gegeben und daher in allen Fällen unbedingt erhaltenswert.
l Mit den Gutsgebäuden unmittelbar verbunden ist ein »Knick« von beträchtlicher Länge, also ein erhaltenes Teilstück der früheren Landwehr als Außengrenze der Stadt Paderbom. Der zu dieser westlichen Strecke der Landwehr gehörige Wartturm ist noch nicht lokalisiert, aber topographisch unmittelbar südlich des Gutes und der B 1 im Bereich der geplanten neuen Verkehrsbauten zu vermuten. Falls seine Fundamente dort festgestellt werden sollten, wäre die Unterschutzstellung als Bodendenkmal zu fordern. Der Ausbau der B 1 und des Kreuzungsbereichs würde das ausschließen.
l In einer Rangfolge von Perspektiven auf die historische Innenstadt gehört der gleichzeitige Blick auf Gut Warthe und Stadt bei der Annäherung von Westen zu den drei besonders eindrucksvollen Aussichten. Die Aufhebung dieser Situation würde in der Bevölkerung als Verarmung im Stadtbild aufgefasst. Ebenso würde das Gutsensemble bei der Annäherung von Osten völlig seinen ästhetischen Reiz verlieren, da es hoch über der Straße an der Böschungskante »thronen« würde.
l Das ursprüngliche Zollhaus ist 1878 vom Königlichen Baurat Arnold Güldenpfennig (1856 bis 1908 Paderborner Diözesan- und Dombaumeister, zugleich tätig als freier Architekt) durch das bestehende, von ihm später umgebaute Gutshaus in leicht veränderter Position ersetzt worden. Dieses Bauwerk steht unter Denkmalschutz. Güldenpfennig ist einer der bedeutendsten westfälischen Architekten des Historismus, der das Stadtbild Paderborns wesentlich geprägt hat. Von seinen fünf profanen Bauten in Paderborn besteht einzig noch das Gutshaus Warthe, die anderen Gebäude sind 1945 untergegangen. Somit zählt das Gutsgebäude zu den wichtigsten historistischen Baudenkmalen der Stadt. Eine Tieferlegung der B 1 würde das Bauwerk aber angesichts der fragilen Bodenverhältnisse in seiner Bausubstanz gefährden.
l Laut Denkmalschutzgesetz gilt rechtlich, dass die unmittelbare Umgebung auf ein Denkmalobjekt Rücksicht zu nehmen hat. Es besteht also über den Bereichsschutz von Gut Warthe aus historischen und landschaftspflegerischen Gründen hinaus auch der Bereichsschutz aus denkmalpflegerischen Gründen, der eine Tieferlegung der B 1 ausschließt.
l Das ebenso denkmalgeschützte westliche Wirtschaftsgebäude ist seit 1860 in mehreren Phasen erbaut worden. Archivalisch nicht beweisbar, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit geht die Gestaltung zweier gewölbter Räume, einer mit neoromanischen Sandsteinstützen und Gewölben, auch auf Güldenpfennig zurück. Der Erhalt des Bau-Ensembles und des Gutsgeländes ist in dieser Hinsicht gleichfalls unverzichtbar.«
Der Heimatverein appelliert an die Regierungspräsidentin und den Minister, von den bisherigen Plänen abzugehen und eine andere Lösung für den Ausbau der B 1 vorzusehen. Sander schlägt vor, die Fahrbahn zu reparieren, die Trasse im Bereich des Gutsgeländes auf das ursprüngliche Niveau auszukoffern und einen Kreisverkehr da anzulegen, wo die Kreisstraße die B 1 quert. Nicht zuletzt verweist der Heimatverein aufs Geld: »In einer Zeit notleidender öffentlicher Finanzen wäre es sinnvoll, die einzusparenden Mittel beim Ausbau der B 1 in andere Verkehrsprojekte umzuleiten«.

Artikel vom 20.12.2006