20.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Erstes Lebenszeichen nach 147 Jahren

1859 wanderten die Ilskens von Hövelhof nach Amerika aus - jetzt die große Überraschung

Hövelhof-Hövelriege (hil). »Das hätte ich noch vor ein paar Tagen nicht für möglich gehalten«: Johannes Buschmeier, mehr als 50 Jahre Ortsheimatpfleger der Sennegemeinde, steht vor einem Heiligenhäuschen in der Nähe des Furlbaches in Hövelriege. Er zeigt auf das Kreuz und erzählt eine Geschichte, die vor 147 Jahren begann und jetzt ein glückliches Ende fand: Es ist eine Geschichte, die auch für die Heimatgeschichte von Bedeutung ist.

1859 wanderte nach einer Eintragung in der Ortschronik Hövelhofs die Familie Ilskens (Gerhard Ilskens mit Ehefrau Anna, geborene Brinkschnieder, sowie drei Kindern - zwei, fünf und acht Jahre alt -) nach Amerika aus. Weiteres blieb unbekannt. »Man hat nie wieder etwas von ihnen gehört«, so die Antwort, wenn nach ihnen gefragt wurde. Dabei haben sich die Nachkommen in den vergangenen Jahren sehr für die Auswanderer interessiert: So hatte Johannes Buschmeier einen regelrechten Suchauftrag bei seinen verschiedenen USA-Besuchen. Doch alle Nachforschungen des Ahnenforschers blieben ergebnislos.
Den Namen Ilskens gibt es in den USA einfach nicht. So schossen Vermutungen ins Kraut: Sind die auf dem Schiff umgekommen? Ist ihnen sonst etwas zugestoßen? Haben die sich unter anderem Namen angemeldet?
Die Antwort gibt eine höchst überraschende Mail aus den Staaten, die in diesen Tagen beim Pfarramt Hövelhof einging. Die Nachricht wurde sofort an Johannes Buschmeier weitergeleitet. Absenderin: Katrina Elsken (49), heute in Florida beheimatet und dort journalistisch tätig. »Mein Großvater, Hermann Conrad Ilskens, ist 1850 in Hövelhof geboren. Seine Familie kam 1859 nach Amerika. Die Familiengeschichte ist, dass bei der Einwanderung der Familienname versehentlich zu »Elsken« geändert wurde. Auch als die Einbürgerungspapiere fertig gestellt wurden, konnte dies nicht korrigiert werden, da die Behörden den Namen der Einwanderungspapiere verwenden mussten. Ich habe dies mit Hilfe der Volkszählungsunterlagen verifiziert«, schreibt die US-Bürgerin. 14 Kinder habe ihr Großvater gehabt - zwei leben noch. Auch sonst sei der »Elsken-Clan« in den USA weit verbreitet.
Katrina Elsken, die drei Jahre in Deutschland gelebt hat (1979 bis 1982) und für das US-Verteidigungsministerium in Ansbach journalistisch tätig war, hat die Passagier- und Ladelisten aus dem Magazin »Deutsche in Amerika«, Band 12, eingesehen, die Gerhard, Anna, Conrad (ihren Großvater), Bernard und das Baby Gerhard bei der Ankunft im Hafen New York am 2. Mai 1859 zeigt.
Voller Stolz berichtet Katrina Elsken: »Ich habe begonnen, Ahnenforschung zu betreiben, um einige Fragen meines Vaters beantworten zu helfen und war absolut fasziniert von meinen Vorfahren - von den Nöten, die sie durchgestanden und den Dingen, die sie erreicht haben.« So schildert Katrina, dass ihr Großvater nach Bewältigung der Anfangsschwierigkeiten in den USA außerordentlich erfolgreich war. Er sei als Geschäftsmann sehr vielseitig gewesen. So war er an mehreren großen Warenhäusern beteiligt, ebenso an einem Bankunternehmen, einem Zeitungsverlag, einer Eisenbahngesellschaft und sogar an einem Telefonunternehmen. Sein einziger noch lebender Sohn ist Gregory John Elsken, geboren 1916, der mit seiner Ehefrau Catherine in Little Rock/Arkansas lebt; aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Eine von ihnen: Katrina, Jahrgang 1957, heutiger Familienname Muros.
Die Geschichte der Auswanderung und des Wiederfindens hat auch starke heimatgeschichtliche Bezüge: Warum wanderten die Ilskens vor 147 Jahren aus? Ganz sicher war es die allgemeine wirtschaftliche Not. Aber die besonderen Gründe werden sich wohl heute, da ist sich Johannes Buschmeier ziemlich sicher, nicht mehr bis in alle Einzelheiten herausfinden lassen. Es ist die einzige nachgewiesene Auswanderung eines unabhängigen landbesitzenden Bauern.
Aber es gibt noch eine Besonderheit: Die Überfahrt in die Staaten war nicht nur ein Abenteuer, sondern auch ein finanzielles Wagnis: Etwa zwei durchschnittliche Jahreseinkommen musste man allein als Reisekosten, so weiß Buschmeier, rechnen. Gerhard Ilskens verkaufte damals seine Hofstelle an den Nachbarn Schnietz. Später wurde die Besitzung abgerissen - einzig das Heiligenhäuschen, das zum Hof gehörte, blieb. Es ist immer noch dort und wird von der Nachbarfamilie gepflegt.
Als Gerhard Ilskens sich von seinem Nachbarn, der den Hof gekauft hatte, verabschiedete, bat er ihn und seine Nachkommen darum, immer das Heiligenhäuschen und der heilige Kreuz in dem Häuschen zu pflegen und es von Zeit zu Zeit mit Blumen zu dekorieren. Und diesem Vermächtnis folgt die Familie Rolf, die inzwischen Eigentümerin der ehemaligen Hofstelle Schnietz ist, auch heute noch. Gerhard fügte bei seiner Abreise hinzu: »Kümmert euch darum, dass immer ein Kreuz in diesem Heiligenhäuschen ist, niemals eine Statue der heiligen Maria oder eines anderen Heiligen.«
»Die Geschichte ist bewegend. Sie zeigt etwas von der Denkweise der Menschen des hiesigen Raumes im vorvergangenen Jahrhundert«, schrieb Buschmeier in seiner Antwortmail an Katrina Elsken.
Stolz ist man in der »Dorfgemeinschaft Hövelriege/Riege«, die sich die Erforschung der Heimatgeschichte auf ihre Fahnen geschrieben hat. Der Vorsitzende Egon Spieker: »Derartige Geschichten dürfen nicht verloren gehen. Sie zeigen etwas von der Mentalität der Sennebewohner, auch von ihrer Tüchtigkeit. Wir wollen das ĂŠaufarbeiten, damit wir sie unseren Kindern weitergeben können.«
Wie geht es weiter in der deutsch-amerikanischen Geschichte? Johannes Buschmeier hat alle Mails den heute noch lebenden Nachkommen der Ilskens überlassen. Die wollen die Korrespondenz in die Staaten fortführen.

Artikel vom 20.12.2006