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Der Komponist lässt die Sonne aufgehen

In der Herforder Münsterkirche erklingen Oratorien von Camille Saint-Saëns und Bach


Von Gerd Büntzly
Herford (HK). Zum dritten Advent erklang in der Herforder Münsterkirche Weihnachtsmusik von Camille Saint-Saëns und J. S. Bach. Aufgeführt wurde sie vom Herforder Münsterchor und dem Philharmonischen Bachorchester unter der Leitung von Stefan Kagl.
Halb Herford schien gekommen, um diesen Klängen zu lauschen. Sanft begann es mit der Hirtenmusik des auf einen lateinischen Text geschriebenen »Oratorio de Noël« von Camille Saint-Saëns. Ein Werk ganz des 19. Jahrhunderts, das in raffinierten Klangfarben schwelgte. Die Solisten leiteten mit dem Text aus dem Lukas-Evangelium ein, kraftvoll sang der Chor das Gloria der Engel. Überhaupt war der Chor gut bei Stimme. Wunderbar etwa die Stelle »Egrediatur« kurz vor Schluss, als der Komponist mit Chor und Orchester die Sonne aufgehen lässt.
Allerdings tat die große Chororgel als Begleitinstrument (gespielt von Dimitry Grigoriev) doch gelegentlich zu viel des Guten, besonders mit ihren tiefen Bassstimmen. Vielleicht kam das alles vorne im Chor gut an; aber wer in der Münsterkirche hinten saß, erlebte eher, dass die Klänge über die große Entfernung nicht miteinander verschmelzen wollten.
Im zweiten Teil des Konzertes erklangen die Kantaten 4-6 des so genannten Weihnachtsoratoriums von J. S. Bach. Hatte der Chor bei Saint-Saëns eher monumentale Aufgaben zu bewältigen, so muss er bei Bach ganz filigran, ja virtuos singen. Und das gelang den Sängerinnen und Sängern meistens tadellos, besonders schön zu Beginn der 5. Kantate zu den Worten »Ehre sei dir Gott, gesungen«. Für Orchester und Solisten hat Bach neben den üblichen langen Koloraturbögen in den Arien (besonders souverän und stimmschön meisterte die der Bariton Hinrich Horn) zahlreiche Schwierigkeiten bereit, etwa die Gleichzeitigkeit von Rezitativ (Bass) und Choral (Sopran), oder die herrliche Echo-Arie, in der Gudrun Horst de Cuestas und Carolin Glandorf mit den Oboenklängen von Stefanie Pabel und Eva-Maria Liebe wetteiferten.
Wunderschön temperamentvoll fuhr Dagmar Linde mit ihrem klaren Alt dem zaghaften »Ach, wenn wird die Zeit erscheinen?« von Tenor Rüdiger Husemeyer und der Sopranistin in die Parade. Lebhaft und spielfreudig gab sich auch das Orchester, besonders bei der Arie »Nur ein Wink von seinen Händen« aus der 6. Kantate.
Alles in allem wurde das Konzert eine beeindruckende Feier, bei dem die Mitwirkenden den reichen Beifall am Schluss redlich verdient hatten.

Artikel vom 19.12.2006