19.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Paderborn
verliert das
»Bauern-Herz«

Landwirte-Kammer nur Nebenstelle

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Kreis Paderborn (WV). Das Höfesterben oder »die stille Revolution auf dem Lande« beenden in Paderborn eine gut 100-jährige Tradition. Die Landwirtschaftskammer verliert in Paderborn ihren Hauptsitz und ist jetzt nur noch eine Nebenstelle von Brakel.

Der Widerstand der Paderborner Landwirtschaft gegen diese politische Entscheidung im Hauptausschuss der Landwirtschaft war vergebens. Mit der kammereigenen Immobilie machte letztendlich Brakel für die Kreise Paderborn, Höxter und Lippe das Rennen. Die Landwirtschaftskammer Paderborn verliert mit dem Verlust der Eigenständigkeit auch Arbeitsplätze: Von 35 Mitarbeitern verbleiben in Paderborn einschließlich der Sparte Schafzucht nur noch zehn. 25 Beschäftigte nehmen jetzt weite Wege nach Brakel in Kauf. Dabei kommt Paderborn noch recht gut von dieser Strukturreform weg: Die lippische Geschäftsstelle wird vollends geschlossen.
Der Paderborner Geschäftsführer Dr. Walter Wrede (62) und Kreislandwirt Johanns Giesguth (53), die gestern erneut die Verlagerung des Haupsitzes nach Brakel (»in die Provinz«) kritisierten, erwarten für die 2400 Landwirte im Kreis Paderborn zunächst keine nennenswerten Nachteile von einer zur Nebenstelle degradierten Landwirtschaftskammer. Beratungen und Schulungen erfolgen weiterhin in Paderborn. Auch Förderanträge werden in der Bleichstraße weiterhin angenommen. Allerdings sei bei Förderanträgen in Einzelfällen eine Reise nach Brakel fällig, weil Paderborn nicht mehr auf das gesamte Datenmaterial zugreifen könne. »Wir werden von bestimmten Programmen gekappt«, ärgert sich Dr. Frede.
Die Entscheidung für Brakel und gegen Paderborn als Hauptsitz wird in der Paderborner Landwirtschaft kritisch gesehen. »Da wurde nicht einmal eine Wirtschaftlichkeits-Berechnung über die drei Standorte Lippe, Höxter und Paderborn geleistet«, kritisiert Kreislandwirt Giesguth. Der Kreis Paderborn bilde in der Landwirtschaft von diesen Kreisen die stärkste Kraft mit den meisten Bauanträgen. »Hier passiert doch richtig etwas, und dann gehen sie in die Provinz«, schüttelt Giesguth den Kopf.
Nach dem Zusammenschluss der Landwirtschaftskammern Rheinland und Westfalen wurde die Zahl der eigenständigen Kreisstellen in Nordrhein-Westfalen landesweit von 31 auf 13 reduziert. Den Hauptsitz in Brakel (80 Mitarbeiter) führt künftig Geschäftsführer Dr. Josef Lammers. Wrede tritt Ende April in den Ruhestand.

Artikel vom 19.12.2006