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Maggy und Kalle sagen tschüß

Mechthild und Karl-Heinz Horst haben 20 Jahre die Andreas-Klause geführt

Von Moritz Winde (Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). »Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören.« Dieses Sprichwort haben sich Mechthild und Karl-Heinz Horst zu Herzen genommen. Ende des Jahres hören die beiden auf. 20 Jahre lang hat das Ehepaar in der Innenstadt die Eckkneipe Andreas-Klause geführt.

Wenn Maggy und Kalle, so werden sie von ihren Stammkunden gerufen, auf die vergangenen zwei Jahrzehnte zurückblicken, wird ihnen ein wenig schwer ums Herz. Zu viele Erinnerungen hängen an der Kneipe, die Wilma und Paul Horst am 24. Dezember 1952 gegründet hatten. Die meisten davon sind schön und amüsant, kurios und witzig. An ein Erlebnis, das vor mehr als zehn Jahren passiert ist, kann sich Karl-Heinz Horst noch genau erinnern. »Ich stand wie an jedem Morgen hinter dem Tresen, als ein Gastronomiekollege hereinschaute«, erzählt der 61-Jährige. »Mein Bekannter regte sich darüber auf, dass Brötchen teuer geworden seien und dass bald etwas in Bad Oeynhausen passieren werde. Ich habe mir nichts dabei gedacht, schließlich kann man nicht alles glauben, was man hier hört.« Plötzlich sei der Gast aufgestanden, habe die Straße überquert und die Deutsche Bank um 15 000 Euro erleichtert. Der Bankräuber sei kurz nach seiner Tat von der Polizei geschnappt worden und habe lange im Gefängnis sitzen müssen. »Aber er schaut heute noch ab und an auf ein Bier vorbei«, freut sich Karl-Heinz Horst über diese Treue.
Neben solch tragisch komischen Geschichten gab es aber auch Schicksale, die mächtig unter die Haut gingen. Karl-Heinz Horst: »Ein Jahr war ganz besonders bitter: Fünf Stammkunden, die jeden Morgen hierher kamen, sind innerhalb von zwölf Monaten verstorben. Das waren richtige Freunde für mich geworden.«
Dass die schönen Momente in den vergangenen 20 Jahren jedoch überwiegten, betont Mechthild Horst. »Es war die richtige Entscheidung, die Kneipe 1986 zu übernehmen. Mir hat der Job Spaß gemacht.« Jetzt allerdings ist die 61-Jährige froh, dass Schluss ist. Zu sehr habe der stressige Kneipen-Alltag an den Nerven gezerrt. »Irgendwann ist man leer. Ich sehne mich jetzt nach neuen Dingen. Es gibt noch so viele Sachen, die ich im Leben ausprobieren möchte«, sagt Maggy und schaut ihrem Mann dabei tief in die Augen. Denn vor allem in puncto Eheleben haben die beiden einiges nachzuholen. »Wir haben uns die vergangenen 20 Jahre schließlich nur zwischen Tür und Angel sehen können«, sagt Karl-Heinz Horst, der stets für die Schicht tagsüber zuständig war. Maggy kümmerte sich abends um den Durst der Gäste.
»Ich freue mich eigentlich auf alles. Lesen, Schwimmen, Faulenzen - aber besonders auf unseren Enkelsohn Jessie. Der ist wirklich richtig süß«, sagt ein stolzer Großvater, der gemeinsam mit Mechthild mit Katharina (27) und Luca (30) zwei Kinder hat. Auch die beiden sollen ihre Eltern in Zukunft häufiger als bisher zu Gesicht bekommen.
Auf der großen Abschiedsfeier am Samstag, die unter dem Motto »Preise wie vor 20 Jahren« stand, haben Mechthild und Karl-Heinz Horst schon einmal zu ihren Gästen auf Wiedersehen gesagt. »Klar, die Stimmung war schon etwas wehmütig«, gibt Maggy zu. Sie wisse aber, dass die Andreas-Klause, die nach einem ehemaligen Bierhersteller benannt ist, in ihrem Sinn weitergeführt wird. Ein Bad Oeynhausener Ehepaar wird sich ab 2007 um die Gäste kümmern. Auch Mechthild und Karl-Heinz Horst wollen hin und wieder vorbeischauen. »Dazu hängt unser Herz einfach zu sehr an dieser Kneipe«, sagen sie einstimmig.

Artikel vom 19.12.2006