14.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bruno Tauts Hufeisensiedlung in Berlin: Das Innere der Siedlung sollte als Begegnungszentrum dienen.

Utopie der einfachen Welt

»Modernism« im MARTa: Architekten suchten Grundelemente

Von Hartmut Horstmann
Herford (HK). Die neue Welt konnte nur entstehen, wenn der Bruch mit den alten Formen gelang. Symptomatisch für die Ab- und Aufbruchsstimmung des »Modernism« ist der künstlerische Ansatz des Malers Piet Mondrian. Sein geometrisches Prinzip findet auch in der Architektur Anwendung.

Die neue Welt sollte einfach und klar sein, erläutert MARTa-Leiter Jan Hoet auf der soeben erschienenen DVD zur Ausstellung »Modernism«. Im Mittelpunkt der Präsentation stehen Architektur, Design und Kunst im Zeitraum von 1914 bis 1939. Die radikal einfache Welt, von der Piet Mondrian träumte, bestand aus Vertikalen und Horizontalen. Diese beiden Prinzipien seien für den Künstler das Matrix für die neue Welt gewesen, sagt Jan Hoet.
Ein anderer entscheidender Punkt war die Abkehr von der Zentralperspektive - was bedeutete: Weg mit den alten Hierarchien. »Die Architektur wollte bei Null anfangen«, betont Professor Martin Damus aus Osnabrück, der auf der neuen CD ebenfalls zu Wort kommt. Wie bei Mondrian ging es darum, zu den Grundelementen zurückzukehren, um mit ihnen eine neue Welt zu errichten.
Ein gutes Beispiel liefert das 1924 entstandene Schröder-Haus in Utrecht. Geplant wurde es von dem Architekten Thomas Rietveld in enger Zusammenarbeit mit der Bauherrin und Innenarchitektin Truus Schröder-Schräder. Beide wollten sich von traditionellen Formen des Bauens lösen: »Wir verwandten ausschließlich primäre Formen, Räume und Farben, weil diese so elementar sind und weil sie frei sind von Assoziationen.« In die gleiche Richtung ging Le Corbusier mit seiner Villa Savoye in Poissy, 1929 - 1931).
Doch Weltanschauungen sind nichts als Vokabelmischungen, behauptete der Literaturzyniker Walter Serner bereits damals. Und so wundert es nicht, dass die Welt der Utopien auch damals vielfältig war. Nicht jeder Kreative träumte von Häusern mit Quadraten und rechten Winkeln.
Als Freund der Rundung erwies sich der Architekt Bruno Taut (1880 - 1938). Seine Architektur unterschied sich deutlich vom Bauhaus, Höhepunkt seiner expressionistischen Phase ist der Glaspavillon von 1914, der für die Werkbundausstellung in Köln entstand.
Ein Modell des Pavillons ist Teil der aktuellen MARTa-Ausstellung. Typisch für Taut ist die Verwendung von Licht und Farben - eine Utopie, die nicht nur auf Funktionalität abzielt: Bezeichnenderweise fühlt sich Jan Hoet an ein »babylonisches Märchen« erinnert.
Doch Bruno Taut, der als Kulturbolschewist Deutschland 1933 verlassen musste, hatte stets die Massen im Blick. Als Architekt einer großen Wohnbaugesellschaft wurde er in den 20-er Jahren »zum Pionier des Kleinwohnungs- und Siedlungsbaus« in Berlin. Für mehr als 10 000 Wohnungen zeichnet er verantwortlich - sie entstanden, als auch an anderen Orten sich der soziale Wohnungsbau durchsetzte. Zwei Stichwörter, die auch im MARTa-Modernism thematisiert werden: Weißenhofsiedlung und Frankfurter Küche.
Zu den noch heute sichtbaren Arbeiten von Bruno Taut zählt die Hufeisensiedlung in Berlin-Neukölln. Eine mehrgeschossige Bebauung formiert sich zu einem Hufeisen, von diesem Hufeisen weg führen Einfamilienhäuser mit Gärten. In der Mitte indes befinden sich Grünanlagen.
Die Architekturkritikerin Christina Haberlik: »Durch das Rund des Hufeisens war ein Platz für gemeinschaftsbezogenes Leben entstanden. Taut war es gelungen, aus der Baukunst eine politische Kunst zu machen.«
Die Ausstellung »Modernism - Designing a new World« ist noch bis zum 7. Januar im MARTa zu sehen.

Artikel vom 14.12.2006