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Brutaler K.o.-Schlag von Ali -Êund für Ali?

Fußball-Skandal: Tengerns Ali Alioglu soll bei einem Türk-Gücü-Spiel OTSV-Spieler verprügelt haben

Von Ingo Notz, Wolfgang Sprentzel und Volker Krusche
Espelkamp/Pr. Oldendorf/Tengern (WB). Es ist ein »handfester« Skandal - und ein Tiefschlag für den Fußballsport: Im Rahmen der C-Liga-Partie Türk Gücü Espelkamp II gegen den OTSV Pr. Oldendorf II ist es zu einer Massenschlägerei gekommen, die darin gipfelte, dass ein Zuschauer auf das Feld stürmte und den Oldendorfer Vitali Ivanov niederstreckte. Zeugenaussagen zufolge soll es sich beim Schläger um den Espelkamper Ali Alioglu vom Landesligisten TuS Tengern gehandelt haben.

Sonntag, 3. Dezember, 12.30 Uhr. Im letzten Spiel des Jahres in der Kreisliga C1 stehen sich die Reserven von Türk Gücü Espelkamp und des OTSV Pr. Oldendorf gegenüber. Das Spiel ist eine einseitige Sache, wie Harald Keysers, Trainer der Gäste, feststellte. Nach wenigen Minuten bereits führten die Oldendorfer mit 2:0. Doch das Duell sollte wenig später ein vorzeitiges Ende mit einem bitteren Eklat finden. Gut eine halbe Stunde war gespielt, als Schiedsrichter Kiamil Kerim (FC Preußen Espelkamp) auf Ecke für den OTSV entschied. Doch bevor der Ball überhaupt in den »Sechzehner« geschossen wurde, kam es dort zu Rangeleien, in deren Folge Keysers sogar einige Handgreiflichkeiten gegen seine Spieler erkannte. Auf einmal schubsten sich beide Seiten gegenseitig, schlugen auf sich ein. Und das alles im Rücken von Kiamil Kerim, seit rund 30 Jahren im Fußballkreis als Schiedsrichter in der C-Liga aktiv, der gerade den Schützen der Ecke auf den nicht korrekt liegenden Ball aufmerksam machte und nicht bemerkte, was sich im Strafraum ereignete. Der Oldendorfer, der die Ecke ausführen wollte, machte den Unparteiischen dann auf die Szene im Strafraum aufmerksam. Der niedergeschlagene Spieler lag zu dem Zeitpunkt bereits regungslos auf dem Boden und Kerim sah nur noch einen flüchtenden Zivilisten. Was direkt davor passiert sein soll, hatte dafür der Trainer des OTSV genau im Blick: »Als sich die Rudelbildung langsam, aber sicher auflöste, stürmte auf einmal ein Zuschauer auf den Platz, sprang in Kung-Fu-Manier von hinten seitlich in einen meiner Spieler und drosch ihm die Faust mit voller Wucht ins Gesicht. Völlig hinterhältig«, hat Keysers die folgenschwere Situation für seinen Schützling Vitali Ivanov noch heute vor Augen.
Türk Gücü Espelkamps Trainer Stefan Greulich hatte die Situation folgendermaßen beobachtet: »Das war eine Massenschlägerei im Strafraum, drei von uns und drei von denen. Von uns waren Salih, Kamil und Ahmet Ergin beteiligt, die sich mit denen geprügelt haben. Auslöser für die Schlägerei im 16er war angeblich ein Foul eines Oldendorfers, aber jeder sagt, der andere war's. Die Oldendorfer haben genauso zugeschlagen wie unsere. Und die Schlägerei war dann wohl Auslöser für die andere Sache. Es war die ganze Zeit schon eine aggressive Stimmung - und die ist dann explodiert.«
Schiedsrichter Kerim hatte diese Eskalation im ersten Moment allerdings nicht mitbekommen, ging dann aber sofort auf den am Boden liegenden Oldendorfer zu. Er sprach den regungslosen Verteidiger des OTSV an, ohne aber eine Reaktion zu erhalten. Ivanov hielt seinen Kopf nur mit den Händen fest, rührte sich aber nicht weiter. Keysers sprach daraufhin die gegnerischen Spieler an, ob sie den brutalen Übeltäter kennen würden. Keysers: »Doch wie schon damals bei der Aktion in Blasheim hieß es von allen nur: den kenne ich nicht! Ein Witz. Jeder kennt doch Tengerns Stürmer Ali Alioglu. Ich frage mich allerdings bis heute, warum er so ausrastet.«
Türken-Trainer Stefan Greulich wollte die Identifizierung des Übeltäters als Ali Alioglu nicht bestätigen, das habe er auch nur vom Hörensagen anderer Tatzeugen erfahren: »Ich habe das Ganze nur aus den Augenwinkeln gesehen: dass einer weggelaufen ist und sich dabei eine Kapuze über das Gesicht gezogen hat. Ich konnte ihn von hinten nicht erkennen Ich weiß nur, dass die Oldendorfer gesagt haben, dass sie Ali Alioglu erkannt haben wollen. Im Nachhinein, muss ich sagen, habe ich noch gedacht, die Person, die auf den Platz stürmte, wollte schlichten - und dann passiert sowas!«
Schiedsrichter Kerim holte Keysers und Türk Gücü-Trainer Greulich zusammen und entschied nach Rücksprache mit ihnen, die Partie abzubrechen. »Das war auch die einzig richtige Entscheidung«, meinte nicht nur Stefan Greulich angesichts der unglaublichen Vorkommnisse in dieser schwarzen Stunde des heimischen Fußballs.
Der verletzte Vitali Ivanov wurde ins Lübbecker Krankenhaus gebracht. Dort verbrachte er nach den ersten Untersuchungen die Nacht vom Sonntag auf Montag, ehe er ins Mindener Klinikum verlegt wurde. Die Diagnose nach dem niederschmetternden »Kung-Fu-Angriff« auf seine Gesundheit: doppelter Jochbeinbruch unterm und über dem Auge! Am Mittwoch wurde er operiert. Dabei wurden ihm zwei Metallplatten mit jeweils vier Schrauben eingesetzt. »Da ist alles ein bisschen verrutscht. Das tat auch ziemlich weh. . .«: Ivanov erstattete bereits auf dem Weg vom Tatort Espelkamp zum Lübbecker Krankenhaus bei der Polizei Lübbecke Anzeige gegen den Schläger. Dabei läuft die Anzeige nicht gegen unbekannt, sondern namentlich gegen Ali Alioglu, der von Ivanovs Teamkameraden Richard Olfert, der als Zeuge mit zur Polizei gefahren war, identifiziert worden war. Ivanov selbst hatte nach eigener Schilderung keine Chance, den Übeltäter zu erkennen: »Ich stand mit dem Rücken zum Angreifer. Instinktiv habe ich mein Gesicht nach rechts gedreht - und in dem Moment hat er mich auch schon getroffen!« Ivanov war erst vor zwei Monaten nach fast zehnjähriger Pause wieder mit dem Fußball spielen angefangen: »Das soll doch Spaß machen. Ich verstehe nicht, warum da Fäuste fliegen müssen. Ich habe noch gebrüllt: 'Hört auf mit dem Sch. . ..'« Bisher habe sich auch noch niemand bei ihm entschuldigt: »Ich erwarte, dass die Sache aufgeklärt wird und dass der Täter, wer immer es auch war, bestraft wird!«, erklärte Ivanov, der seit dem 3.12. arbeitsunfähig ist, im Sommer Prüfung hat und dann vor einer erneuten OP steht.
Neben dem Zivilgericht - Ivanov lässt sich derzeit von einem Anwalt beraten - wird sich auch die Sportgerichtsbarkeit mit dem Spielabbruch und seinen Folgen befassen. Da Kiamil Kerim noch bis zum 26. Dezember im Urlaub weilt, findet die Kreis-Spruchkammersitzung am 28. Dezember statt. KSK-Vorsitzender Werner Niemeyer verzichtete auf eine vorsorgliche Schutz-Sperre für Alioglu, da der Spieler aus Verletzungsgründen und in der Winterpause vor der Verhandlung eh nicht spielen kann.
Der hoch talentierte Stürmer des TuS Tengern ist durch seine Unbeherrschtheit auf und neben dem Platz in der Vergangenheit mehrfach aufgefallen: Beim DSC Arminia Bielefeld ist er unter anderem auch deshalb gescheitert, bei seinem Heimatverein FC Preußen Espelkamp hatte er im vergangenen Jahr keine Zukunft mehr, da er seinen Arbeitgeber übelst beleidigt hatte - und diese Stelle hatte ihm der Verein vermittelt. Zudem war Alioglu beim Hallenturnier der Preußen wegen einer Tätlichkeit vom Platz geflogen. Ferner war Alioglu Anfang 2006 maßgeblich an einer handfesten Auseinandersetzung auf dem »Soccer-Court« in der Nettelstedter Tennishalle beteiligt, so dass damals sogar die Polizei einschreiten musste. Mit dem Wechsel zum TuS Tengern schien im Sommer dann wieder das große sportliche Können des Jugendlichen in den Vordergrund getreten zu sein.
Nicht nur die Karriere des 19-jährigen Ali Alioglu, auch der Gastgeber-Verein des Skandalspiels, Türk Gücü Espelkamp, steht jetzt vor einer ganz schwierigen Situation - zumal auch keine Ordner eingegriffen haben. Stefan Greulich: »Wir warten die Verhandlung ab, aber ich kann mir vorstellen, dass wir die Mannschaft abmelden! Ich habe einige aggressive Spieler in der Mannschaft, aber bis zu dem Spiel war bislang noch nichts passiert.« Für den Ex-Jugendtrainer der Preußen, der seit Sommer für Türk Gücü an der Linie steht, steht eins mit Blick auf die Übeltäter fest: »Bei mir würden die nicht mehr spielen. Die sollen zum Boxen gehen und nicht zum Fußball. . .!« Greulich ist derzeit auch Trainer der ersten Mannschaft, da Salih Korkmaz wegen mangelhafter Trainingsbeteiligung und Perspektive zurückgetreten ist.
Unangenehm berührt zeigte sich auch der derzeitige Fußball-Brötchengeber Ali Alioglus, der Fußball-Landesligist TuS Tengern. Unisono und unabhängig voneinander erklärten Abteilungsleiter Dieter Bartelheimer und Geschäftsführer Alwin Knollmann, dass ein solches Verhalten nicht zu billigen sei. Wobei Alwin Knollmann klar feststellte: »Ich verstehe das alles nicht. Bei uns hat sich Ali immer absolut unauffällig verhalten. Sowohl im Spiel als auch auf der Tribüne. Und jetzt so etwas.« Gleichzeitig betonen sowohl Bartelheimer als auch Knollmann, dass der TuS Tengern mit diesen Vorfällen nicht zu tun habe: »Ali Alioglu ist als Privatmann unterwegs und muss für alles, was da passiert, allein für sich selbst die Verantwortung tragen.« Ansonsten wolle man beim TuS Tengern erst einmal Ruhe bewahren: »Wir werden abwarten, wie sich die ganze Geschichte entwickelt. Sobald der Fall abgeschlossen ist, werden wir uns, falls erforderlich, im Vorstand zusammensetzen und die weitere Vorgehensweise des TuS Tengern beraten.«

Artikel vom 14.12.2006