09.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von Manfred Schraven

Paderborner
Perspektiven

Politik steht auf dem Spiel(plan)


Seit Mitte der Woche funkeln Europas Sterne über Paderborn, leuchten der Politik den Weg. Nachdem Bürgermeister Heinz Paus und der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Dr. Ulrich Bittihn mit dem »Gütesiegel der EU-Kommission« für einen genehmigungsfähigen Vertrag für den Neubau der Volksbank mit integrierten Kammerspielen am Kötterhagen aus Brüssel zurück sind, dürfte es eigentlich nur noch Siegertypen geben. Denkste... Heute scheint selbst die Phalanx der aufrechten Kammerspielbefürworter umzuschwenken. Das Projekt Kammerspiele am Kötterhagen wird von einigen, die noch vor einem Jahr ihre Seele für den Standort verkauft hätten, mittlerweile gewollt gegen die Wand gefahren.
Wie schön einfach war es doch, als sich die geballte Wut im Rat gegen den einsamen Rufer und Mahner Hartmut Hüttemann von der FBI entladen konnte, als die FBI vor zwei Jahren Beschwerde bei der EU-Kommission wegen möglicher Verstöße gegen europäisches Wettbewerbsrecht einlegte. Heute müsste der Rat dem »Nestbeschmutzer« ein Denkmal setzen, hat er die Stadt wohlmöglich vor finanziellen Schäden in Millionenhöhe bewahrt: Die FBI hat erfolgreich die Unvereinbarkeit des Vertrags der Stadt mit der Volksbank mit dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union angemahnt. Das kann heute keiner mehr unter den Teppich kehren.
N
ach erzwungenem Sinneswandel rücken immer mehr Ratsmitglieder vom ursprünglichen Projekt ab, beziehen sich bei ihren Forderungen nach Alternativstandorten allerdings vornehm auf die Vorbehalte aus Brüssel. Ansonsten bleibt man bei der Stange, trug vor einem Jahr sogar den Denkmalschutz für den Bau zu Grabe, als eindeutige Plädoyers der Denkmalschützer für die Erhaltung der Bodendenkmäler über Bord geworfen wurden. Und noch zu Jahresbeginn wurde im Schulterschluss der Standort Kötterhagen durch den Rat fest verankert. Vielleicht stand hinter den »Sonntagsreden« aber auch nur die feste Hoffnung: Brüssel wird's schon richten, heißt hinrichten.
Die Zeit fürs Zaudern ist vorbei. Forderungen und Fristen durch den Rat sind - ob gewollt oder nicht - erfüllt. Am kommenden Donnerstag ist der Rat am Zug. Die Stadt darf gespannt sein, ob die Mandatsträger sich an eigener Messlatte orientieren und nicht selbst nur weiter schlingern. Ich habe meine Bedenken. Der Rat scheint nämlich von »kollektiver Klagephobie« befallen. Da reicht schon eine gestreute Klageandrohung von Anliegern, um Entscheidungsträger zu Statisten zu machen. Seit dem erstrittenen Baustopp für das Stadion an der Elsener Straße scheint es normal zu sein, gleich welches Projekt mit Klageandrohungen für die eigene Tasche hinzubiegen. Wenn sich Politiker so durch die Stadt treiben lassen, ist das eine Bankrotterklärung gelebter Demokratie. Der Rat muss den Bebauungsplan »Kötterhagen« auf den Weg bringen. Wenn die Pläne nach städtebaulichen Vorschriften auf dem Tisch liegen, halten sie auch jeder Klage stand...
Oder wollen einige Politiker hier und heute nur ein altes Süppchen aufwärmen? So könnte sich die SPD nach gescheiterten Bürgerbegehren gegen eine Stadtverwaltung an der Florianstraße ja immer noch die Wunden lecken, wenn sie jetzt an dieser Stelle den Standort Kammerspiele empfiehlt.
Die Genossen sollten dabei aber nicht den Blick für die Gegenwart verlieren. Was passiert eigentlich mit dem Ensemble der Kammerspiele, wenn die Volksbank das Theater auf die Straße setzt, sollte es denn doch nicht zu einem gemeinsamen Projekt am Kötterhagen kommen?

Artikel vom 09.12.2006