08.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Milchbubis« waren eiskalte Bankräuber

Der Bandenboss war erst 16 Jahre

Von Hubertus Hartmann
Paderborn / Bad Wünnenberg (WV). »Hände hoch, Geld her!« Eiskalt raubten zwei maskierte und mit einer Pistole bewaffnete Gangster die Volksbank in Bleiwäsche aus. Dass sich hinter den Wollmützen zwei »Milchbubis« aus der Nachbarschaft verbargen, konnte der Filialleiter nicht ahnen.

Fünf Monate lang verbreitete eine fünfköpfige Jugendbande im Kreis Paderborn und im benachbarten Madfeld Angst und Schrecken. Der Banküberfall Ende Juni in Bleiwäsche - Beute 5100 Euro - bildete den Höhepunkt der kurzen, aber heftigen kriminellen Karriere. »Wir wollten mal was Richtiges machen«, sagte der Bandenchef gestern vor Gericht - zur Tatzeit war er erst 16 Jahre alt. »Der Jüngste war der Schlimmste und Hauptmatador«, stellte Richter Stefan Schäfer fest. Er schickte ihn für drei Jahre und neun Monate ins Jugendgefängnis.
Der »große Coup« in Bleiwäsche wurde dem Quintett zum Verhängnis. Ein Zeuge konnte das Fluchtauto und dessen Fahrer beschreiben. Sechs Wochen später klickten die Handschellen. Der 19-jährige Hilfsarbeiter hatte von seinem Anteil der Beute Urlaub in Bulgarien gemacht. Bei der Rückkehr nahm ihn die Polizei auf dem Flughafen Hannover fest. Seine Komplizen, alle 16 bis 19 Jahre alt, saßen zu dem Zeitpunkt bereits in Untersuchungshaft.
Von Anfang Februar bis Ende Juni hatte die Gang, meistens mit einem Messer und einer Feuerzeugpistole bewaffnet, eine Tankstelle in Bad Wünnenberg - Beute 5071 Euro, eine weitere in Sennelager - Beute 531 Euro - und eine dritte in Madfeld überfallen. Dort wurden die Täter allerdings von dem beherzten Betreiber-Ehepaar in die Flucht geschlagen. Insgesamt 13 Einbrüche in Geschäfte und die Hauptschule Fürstenberg kommen dazu. Gestohlene Beamer, Flachbildmonitore, Handys, ein Autoradio und Zigaretten im Gesamtwert von rund 8000 Euro machten die Täter zu Geld. Dafür kauften sie Drogen, feierten wilde Partys und schmückten sich mit Designerklamotten. »Die haben das ganze Geld verschleudert und einen auf dicke Hose gemacht«, meinte ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe sehr treffend.
Initiator sämtlicher Taten war der 16-jährige Realschüler aus Bleiwäsche. Seine Komplizen, die ihn in wechselnder Beteiligung begleiteten, kommen ebenfalls aus Bleiwäsche, aus Fürstenberg und aus Hövelhof. Sie erhielten Jugendstrafen zwischen zwei und drei Jahren, die in zwei Fällen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Staatsanwalt Heinz Albert bescheinigten allen fünf Angeklagten »eine schädliche Neigung und einen Hang zu Straftaten«. Die Haftstrafen seien erforderlich, um Defizite in der Erziehung auszugleichen.
Die beiden Haupttäter stammen aus zerrütteten Elternhäusern. Vor allem der junge Bandenboss habe sich zwischen den geschiedenen Elternteilen hin- und hergerissen gefühlt, keine Bindung mehr gefunden und sei erzieherisch völlig entglitten, so ein Sozialarbeiter. »Er ist eine dissoziale Persönlichkeit und gehört zu den Menschen, die das Abenteuer lieben.«
Während der Urteilsberatung sah man die Angeklagten noch grinsen und scherzen. Nach der Urteilsverkündung war ihnen das Lachen vergangen.

Artikel vom 08.12.2006