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»Große Sauerei« bringt
Fleischer ins Gefängnis

Zwölf Monate Haft wegen Tierquälerei verhängt

Borgentreich/Warburg (cr). Wegen Tierquälerei und mehrerer Verstöße gegen das Lebensmittelrecht muss ein 45-jähriger Fleischermeister aus Borgentreich für zwölf Monate ins Gefängnis. Strafrichter Bastian Köhler verhängte gestern am Warburger Amtsgericht außerdem ein Tierhaltungs- und Tierhandelsverbot gegen den Mann.

Der 45-Jährige, der zugleich Schweine, Rinder und Hühner hält, war nach zwei Kontrollen des Kreisveterinäramtes im Juni angezeigt worden. In der Verhandlung sahen Staatsanwalt Ulrich Saake und Richter Köhler jetzt die seinerzeit aufgelisteten Vorwürfe vollends bestätigt.
Bei einer angekündigten Besichtigung der Stallungen hatte sich den Tierärzten am 9. Juni ein unansehnliches Bild geboten: Elf hochgradig kranke Schweine kamen zum Vorschein, einige Tiere total abgemagert, andere mit Durchfallerkrankungen oder großen Abzessen. Frischwasser für die Tiere - Fehlanzeige. Vier Schweine mussten sofort getötet werden.
Der damaligen Aufforderung, sofort einen Tierarzt hinzuzuziehen, kam der Fleischermeister nicht nach. Das bemerkten die Veterinäre bei einer zweiten Kontrolle zehn Tage später. Diesmal nahmen sie nicht nur die Stallungen, sondern auch den eigentlichen Fleischereibetrieb unter die Lupe. Sie fanden in den Lagerräumen Fleisch, das - wie eine umgehende chemische Untersuchung bestätigte - verdorben und nicht mehr für den Verzehr geeignet war. Außerdem entdeckten sie, dass der 45-Jährige Schlachtabfälle an sein Vieh verfütterte. Das aber ist wegen der Seuchengefahr strengstens verboten.
Wegen ähnlicher Verstöße, die im Herbst 2005 ans Licht gekommen waren, hatte der Mann Anfang des Jahres bereits eine Geldstrafe zahlen müssen. Seinerzeit hatten die Kontrolleure hochgradig verschimmeltes Rindfleisch und völlig unzureichende hygienische Verhältnisse im Kühlhaus vorgefunden. Und: Bei zwei Kontrollen Ende November sind erneut solche Mängel entdeckt worden - eine weitere Anzeige ist erstattet.
Der angeklagte Metzger zeigte sich vor Gericht wenig einsichtig. Die Tiere hätten zum Teil nur Scheuerwunden gehabt, die Beine seien etwas verstaucht gewesen, »das kann bei Ferkeln schon mal vorkommen«, meinte er. Er habe einige Tiere erst kurz zuvor erworben und sie aufpäppeln wollen, führte er aus: »Ich weiß doch, was bei Krankheiten zu tun ist. Da bin ich firm.«
Das sahen die Vertreter der Aufsichtsbehörden nun im Zeugenstand völlig anders. Der Angeklagte sei seit 15 Jahren wegen diverser Probleme mit dem Tierschutz auffällig, sagte ein Vertreter des Veterinäramtes, »trotz mehrerer Bußgelder in dieser Zeit hat sich der Zustand kaum verbessert«. Immer wieder müsse bei dem Angeklagten ein korrektes Verhalten angemahnt werden, berichtete auch eine Tierärztin des Kreises - »er hält sich einfach nicht an die Vorgaben«. Gerade das Verbot, Schlachtabfälle zu verfüttern, müsse doch eingehalten werden, argumentierte sie: »Angesichts der Gefahren etwa durch die Schweinepest ist das kein Kavaliersdelikt, wenn man dagegen verstößt.«
Eine Vertreterin des Chemischen Untersuchungsamtes aus Detmold berichtete von der Analyse der Fleischproben, die sie aus dem Betrieb erhalten hatte. Diese hätten »erhebliche Abweichungen« aufgewiesen und seien zum Verzehr »absolut ungeeignet« gewesen, ohne dabei aber gesundheitsschädlich sein zu müssen.
Staatsanwalt Saake wertete das Verhalten des Fleischermeisters als »völlig unverantwortlich und Ekel erregend«. Über seine Forderung (zehn Monate ohne Bewährung) ging Richter Köhler sogar noch zwei Monate hinaus. Er bezeichnete das Vorgehen des 45-Jährigen als »große Sauerei«, die dieser nun auch noch verharmlosen wolle. Die Tiere hätten unvorstellbare Qualen erlitten, so der Richter. Eine Bewährungschance könne er nicht aussprechen, begründete Köhler seine Entscheidung: »Eine ordnungsgemäße Betriebsführung ist von diesem Angeklagten nicht zu erwarten.« Dieser wiederum nahm den Urteilsspruch ungläubig entgegen. »Ich bin baff«, gab er zu Protokoll, »das alles kann doch nicht wahr sein«.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der 45-Jährige, der ohne Anwalt zum Prozess in Warburg erschienen war, kann innerhalb von sieben Tagen Berufung einlegen.

Artikel vom 08.12.2006