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Lippische Grüße für Steinmeier

Statt der Kanzlertanne steht der »Lichterbaum der Völker« im Auswärtigen Amt

Aus Berlin berichtet Peter Reineke
Berlin/Detmold (SZ). Sie war in den vergangenen Jahren eine der wenigen Konstanten im politischen Berlin: die »Kanzlertanne« aus Lippe. Doch wie Kanzler kommen und gehen, so wechseln auch die Tannen.

Seit der Eröffnung des Bundeskanzleramts im Jahr 2001 brachte eine lippische Wirtschaftsinitiative jedes Jahr einen prächtigen Baum nach Berlin, der im Innenhof des Kanzleramts aufgestellt wurde und den damaligen Hausherrn Gerhard Schröder im Advent an seine lippische Heimat erinnerte. Die Kanzlertanne erfreute sich stets großer Beliebtheit. Im Kanzleramt wusste man die Organisationskünste der lippischen Spender zu schätzen.
Und die Berliner haben in der Vergangenheit schon viele schiefe Tannen gesehen, die dann in der Mitte durchbrachen und an die Elefanten im Zoo verfüttert werden mussten. Diese auf dem Boulevard zelebrierte Schmach blieb der Kanzlertanne erspart. Stattdessen sah man sie auf vielen Fotos, unter anderem auf der Weihnachtskarte des Bundeskanzlers.
Im vergangenen Jahr erhielt auch Angela Merkel einen Baum aus Lippe. »Wir konnten sie ja nicht im Regen stehen lassen«, erinnert sich Organisator Wolfgang Stückemann aus Lemgo. Schließlich war die CDU-Politikerin nur wenige Tage vorher vereidigt worden und die Übergabe der Tanne ihr erster öffentlicher Auftritt als Kanzlerin in Deutschland.
Nun jedoch wurde wieder ein Lipper beschenkt: Im Protokollhof des Auswärtigen Amtes steht eine in Lemgo gefällte Douglasie, die von 2000 Lichtpunkten der Firma Zumtobel beleuchtet wird und am Mittwochabend im Rahmen eines »Friedensfestes« an Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) übergeben wurde. Steinmeier, der in Brakelsiek aufgewachsen ist, hatte während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder die Tradition der lippischen Kanzlertanne begründet. »Die Lipper bleiben sich treu«, sagte Wolfgang Stückemann. »Es wird nicht lange dauern, bis sich herumgesprochen hat, dass dies der schönste Weihnachtsbaum Berlins ist«, zeigte sich der Außenminister hoch zufrieden mit dem Engagement »seiner« Lipper. Etliche ausländische Botschafter staunten nicht nur angesichts des prächtigen Baumes, sondern auch über das tolle Konzert der »Top-Flops«, der Schülerband der Behindertenstiftung Eben-Ezer. Da nicht überall auf der Welt Weihnachten gefeiert wird, soll die lippische Douglasie kein Christbaum im engen Sinne sein, sondern ein »Lichterbaum der Völker«.
Bundeskanzlerin Angela Merkel brauchte übrigens nicht lange zu warten, bis sich ein Ersatz für den lippischen Baum andiente. Die Kanzlertanne kommt in diesem Jahr aus ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern.

Artikel vom 08.12.2006