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Wände voller Erinnerungen

Werner Kranz öffnet die Tür zu seiner privaten Sammlung

Von Bernd Steinbacher
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Werner Kranz hat im Laufe seines Lebens viel von der Welt gesehen. Der heute 80-Jährige lebte Anfang der 50er Jahre in Chile, unterrichtete in Bagdad und arbeitete als Dozent am Goethe-Institut in Brasilien. Auf zahlreichen Reisen lernte er fast die ganze Welt kennen. Viele Andenken aus der Zeit im Ausland und Geschenke zahlreicher Gäste haben seine Kunst- und Kitschsammlung, so sagt er selbst, anwachsen lassen.

Für das WESTFALEN-BLATT öffnete er die Tür zu seiner umfangreichen Sammlung. »Manch einer findet, diese Dinge sind Kitsch. Doch mir gefallen sie«, sagt der ehemalige SPD-Ortsverereinsvorsitzende, Kreisrat und im Jahr 2004 Kandidat für das Soziale Bürgerforum. Schicksale von Menschen bewegen ihn, so hat er auch im Ausland viele Freunde gefunden. Gastfreundschaft wird bei der Familie Kranz groß geschrieben und so finden sich zahlreiche Gastgeschenke im Haus wieder. Fast wie von selbst entwickelte sich aus ein paar Eulenfiguren eine große Sammlung. In allen Größen, Varianten und Materialien sind sie zu sehen.
Bilder, Gemälde, Volkskunst, Statuen, für den Hausherrn sind damit immer Erinnerungen verbunden. Ein brasilianischer Freund brachte ihm beispielsweise einen besonderen Kultgegenstand der Candomblé-Religion aus Brasilien mit. Die Figur, mit echten Zähnen verziert und auf dem Schulterknochen eines Tieres stehend, enthält ein Messer, mit dem Hähnen bei religiösen Zeremonien der Kopf abgeschnitten wird. Candomblé ist eine afro-brasilianische Religion, die hauptsächlich in Brasilien, besonders im Staat Bahia, aber auch in den angrenzenden Ländern praktiziert wird. In Rio de Janeiro und Umgebung heißt der Kult Macumba. Beide fast gleichen Kulte wurden von Sklaven aus Afrika mitgebracht und sehr bald mit Genehmigung und Duldung durch die katholische Kirche ernsthaft ausgeübt. In neueren Umfragen haben etwa zwei Millionen Brasilianer erklärt, dass ihre Religion Candomblé ist.
»Diese Religion gibt mir nichts, die Kulthandlungen sind aber als kulturelles Spektakel sehr interessant«, erzählt Werner Kranz. Die Handlungen finden in großen Hallen statt und beginnen mit dem Einzug der »Mutter der Heiligen«, einer meist fülligen Frau. Eine Kapelle spielt dann »so heiße Samba-Rhythmen, wie man sie in Europa wohl nie zu hören bekommt. Sie reißen alle mit.« Prächtig gekleidete Bahianerinnen tanzen im Kreis, bis hin und wieder eine Tänzerin in Ekstase gerät und stürzt. Das ist dann der Augenblick, während dessen ein »Heiligen-Geist« in den Körper fährt, um ihn von Krankheiten zu heilen.
Viele Einzelheiten gebe es zu berichten, doch besonders faszinierend findet Werner Kranz, dass die Katholische Kirche sogar erlaubt, Götter westafrikanischer Herkunft, mit biblischen Gestalten und katholischen Heiligen zu vermischen oder sogar zu ersetzen. Er nennt einige Beispiele: So wurde der gütige Gott Oxalá, der Schöpfer und Himmelsherr, mit Jesus Christus gleichgesetzt. Die Meeresgöttin Yemanjá wurde zur Maria und der Kriegsgott Ogún wurde mit dem Heiligen Georg identifiziert. Der Gewittergott Xangú verschmolz mit dem Heiligen Hieronymus und die Windgöttin Nha-San mit der Heiligen Barbara.
Die Candomblé-Religion gewinne mittlerweile auch immer größeren politischen Einfluss, sagt Kranz. Kein Gouverneur würde sie während des Wahlkampfs vernachlässigen. Das hätte böse Folgen für ihn.
So kommt der 80-Jährige wieder auf die Politik zu sprechen, ein Thema, das ihn nicht loslässt. Deswegen wurde er sogar verspottet: »Als ich nach Russland reiste, hieß es einst, jetzt holt er sich neue Befehle.«

Artikel vom 07.12.2006