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Einblicke in Therapien erhalten

Regierungspräsidentin besucht Fachklinik für gestörtes Essverhalten

Von Matthias Band (Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). »Für die Landesregierung hat die Bildungspolitik oberste Priorität«, betont die Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl. Um sich über die verschiedenen Förderschulen in ihrem Bezirk zu informieren, besucht sie zurzeit mehr als 20 Einrichtungen. Gestern war sie in der Klink am Korso zu Gast.

»Bildungspolitik beleuchtet oft nur die Schüler am oberen Ende der Skala. Wir müssen aber auch über die sprechen, die Förderbedarf haben. Wie die Schüler dieser Fachklinik, weil sie krank sind«, sagt Marianne Thomann-Stahl. Die Jungen und Mädchen würden hier ins Leben zurückgeführt. Mehr könne man nicht erreichen, so der Eindruck der Regierungspräsidentin.
Dass sie nicht nur gekommen war, um sich ein theoretisches Bild von den Problemen und Krankheiten der Patienten in der Fachklinik für gestörtes Essverhalten zu machen, wurde bereits schnell deutlich: Zuerst verschwand sie nämlich in einem Unterrichtszimmer, wo gerade Förderunterricht für die jugendliche Patienten lief. Sie ging aber allein - ohne Stab und Presse, um den Unterricht nicht zu stören.
Dr. Georg Ernst Jacoby informierte die Regierungspräsidentin anschließend über die Therapieansätze in seiner Klinik: So kochen zum Beispiel adipöse und magersüchtige Patienten gemeinsam in der Lehrküche, um wieder einen »Zugang zum gesunden Kochen« zu entwickeln.
Marianne Thomann-Stahl sprach mit den Patienten und verschaffte sich einen Überblick über die Gruppentherapie, der in der Fachklinik ein ganz wesentlicher Baustein im Umgang mit der Krankheit ist. Im Speisesaal erfuhr sie von den speziellen Tischregeln, die zum Beispiel darauf hinweisen, kein eigenes Essen mitzubringen oder damit zu spielen.
Sichtlich berührt zeigte sich die Regierungspräsidentin, als Dr. Georg Ernst Jacoby mit ihr den Bereich der Magersüchtigen besuchte. Dort lernte sie, dass die Patienten einen so genannten Ganzkörperspiegel auf ihrem Zimmer haben. Auf der gegenüberliegenden Seite hängt ein selbstgemaltes Körperbild an der Wand. Die Mädchen, die darauf abgebildet sind, sind erschreckend dünn. »Da setzen wir an«, erklärt Dr. Georg Ernst Jacoby. »Es geht bei uns sehr viel um Körperwahrnehmung.«
Die Verantwortlichen in der Klinik gaben der Regierungspräsidentin aber nicht nur Informationen, sondern auch Wünsche mit auf den Weg: Unter anderem beklagten sie, dass in der schulischen Einzel- und Gruppenförderung in manchen Fächern ein Lehrermangel vorherrsche - wie zum Beispiel im Fach Latein. Ein Vorschlag lautete daher, mehr pensionierte Lehrer in die Projekte der Förderschulen einzubinden.
Ein weiterer Punkt: Die Patienten können nicht direkt von den Ärzten an die Fachklinik verwiesen werden, sondern nur von den Krankenkassen. »Für uns bedeutet dieses Verfahren einen enormen bürokratischen Aufwand«, sagte Geschäftsführer Frank Böker. Die Regierungspräsidentin versprach bei diesem Problem Vermittlung.

Artikel vom 05.12.2006