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Den Großvater verjüngt

Nach Restaurierung wird auf Bechstein-Flügel wieder gespielt

Gütersloh (WB). War es - spaßeshalber gefragt - wegen des fast 100 Jahre alten Bechstein-Flügels, der in einer verstaubten Ecke des alten Stadttheaters auf Wiederentdeckung harrte, dass der Abriss des Baus noch auf sich warten ließ? Dass Verzögerungen wie jene des Theaterabrisses zum anschließenden Neubau auch Positives in sich bergen, bewies während des sonntäglichen Kammerkonzerts zur feierlichen Einweihung des restaurierten Bechstein-Flügels allein schon dessen wunderbarer Klang.

Nach der zum Konzertauftakt von Kirsten und Thorsten Krug im Walzerrhythmus gespielten »Gondolina« aus »Soirées musicales« für Klavier zu vier Händen von Léon dÕOurville nahm der Vorsitzende der Musikschule, Jochen Dreier, im alten Gerichtssaal des neuen Musikschulgebäudes an der Königstraße die symbolische Übergabe des Flügels vor. Verglich er das 1915 gebaute Instrument mit »einem Großvater«, so hat sich dieser nach der Restaurierung durch den Kaunitzer Klavierbauer Michael Symann vom Klang wie vom Aussehen her wirklich in ein »junges Mädchen« verwandelt. Für diese der musikalischen Jugend zukommende »Verjüngung« - das Kammerkonzert wurde von Preisträgern des jüngsten Jugendmusikpreis-Wettbewerbs bestritten - dankte Dreier vor allem dem Ehepaar Dr. Peter und Dr. Karin Zinkann für ihre großzügige Unterstützung sowie für die vermittelnde Unterstützung der ebenfalls anwesenden stellvertretenden Bürgermeisterin Monika Paskarbies und Kulturamtsleiter Klaus Klein.
Der klanglich untermalenden Qualität des Flügels als Begleitinstrument verlieh Julia Kleinewietfeld zum folkloristisch angehauchten Querflötenpart von Rabea Vorholt in »Le petit Chevrier Corse« von Henri Tomasi eine Stimme. Tänzerische Leichtigkeit erzeugte die Violinistin Natalie Dallmann durch ihre kontinuierlichen und von Leonie Altehülshorst geschmeidig am Klavier begleiteten Sechzehntel in »Elfentanz« von Ezra Jenkinson. In »Pierrot« von Paul Harris sowie in »Albumblatt Marsch« von Emil Kronke fielen sowohl der gute Ton in den auswendig gespielten Stücken auf der Querflöte von Elly Schartner als auch deren große Sicherheit im Zusammenspiel mit Rita Penner am Flügel auf. Das Trio der beiden Cellistinnen Karoline Bauch und Maike Theißing mit Michaela Müller am Klavier wirkte ebenso im fließend vorwärts strebenden Allegro von Salvatore Lanzetti wie im die langsamen Töne mit dem Vibrato der Celli auskostenden Adagio von Carl Grimm wegen ihres schon ausgereiften Klangs im Ensemble erhebend. Brachte Marco Johanning nach dem von Johanna (Klarinette) und Franziska Schede (Klavier) interpretierten Duo der »Four short pieces« von Howard Ferguson den auch solistisch hochwertigen Klang des Bechsteins mit dem klassisch romantischen Allegro passionato im Capriccio g-moll op. 116 Nr.3 von Johannes Brahms vollauf zur Geltung, konnte zuvor auch schon Vera Plümer der anspruchsvollen Hörerschaft gerecht werden. Durch fließende Aufwärtstriolen mit idyllischen Klangfärbungen im ersten und hervorragende Pedalarbeit zu virtuosen Läufen im zweiten Satz der »2 ChildrenÕs Songs für Klavier solo« von Chick Corea zeigte sich, dass ein fast gar vergessenes »Mauerblümchen-Instrument« im Konzertraum der Musikschule doch am besten aufgehoben ist.
Johannes Zoller

Artikel vom 05.12.2006