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Patienten in Warteschlange

Notfall-Ambulanz

Von Rüdiger Kache und
Manfred Schraven
Paderborn (WV). Einen solchen Ansturm haben die beiden Praxismitarbeiterinnen Manuela Eberhard und Ulla Wegener noch nie erlebt: Schon am frühen Morgen standen die Patienten an der Anmeldung der Notfall-Ambulanz in Paderborn Schlange. Der Grund: der Ärzte- und Apothekerprotest. Rund 80 Prozent der Praxen hatten gestern geschlossen!

Bis 15 Uhr hatten die »Notfallärzte« in der Rathenaustraße bereits 110 erwachsene Patienten und 70 Kinder medizinisch versorgt. »So viel wie sonst an einem ganzen Wochenende«, erklärte Dr. med. Manfred Sürig von der Notfall-Ambulanz gegenüber dieser Zeitung. Ein kaum gekannter Patientenansturm, obwohl in den einzelnen Orten und Stadtteilen die Ärzte untereinander ihre Notbereitschaft abgesprochen hatten. Und dieser »Ausnahmezustand« kann möglicherweise in den kommenden Wochen und Monaten »Alltag« werden. Regionale Schließungen von Praxen seien fest eingeplant, so Sürig. Zu groß ist die Verbitterung! Ärzte und Ärztinnen, aber auch die Apotheker sehen durch die geplante Reform den freien Heilberuf existentiell gefährdet. Manfred Sürig: »Wir bewegen uns in Richtung Staatsmedizin nach britischem Vorbild.« Sollten die Pläne Wirklichkeit werden, sei vor allem die Versorgung der Patienten auf dem Land durch Knebelverträge der Ärzte akut in Gefahr. Die freie Arztwahl der Patienten wäre abgeschafft, malte der Sprecher der Notfall-Ambulanz die zukünftige Patientenversorgung in düsteren Farben.
Bei der zentralen Protestveranstaltung der »Praxisnetz Paderborn« gestern Nachmittag im Hotel Gerold entluden sich Wut und Enttäuschung über die Gesundheitsreform in erster Linie auf dem heimischen CDU-Bundestagsabgeordneten Gerhard Wächter. Als Mitglied der Großen Koalition habe er die Mitverantwortung. Wächter hatte die wenig schmeichelhafte Aufgabe, vor mehr als 80 Ärzten und Apothekern in einer Podiumsdiskussion Rede und Antwort zu stehen bei Sachthemen, von denen er nach eigenen Angaben wenig verstehe als Verkehrspolitiker Für seine Offenheit erntete er zwar den Respekt des Publikums, wurde aber gleichzeitig massiv gedrängt, dem Gesetz im Bundestag nicht zuzustimmen. »Nehmen Sie diesen Wählerwillen zur Kenntnis.«
Dr. Peter Brackmann brachte unter dem Applaus der Zuhörer auf den Punkt, was alle erwarten: »Machen Sie endlich Schluss mit Marx und Murks.« Am 13. Dezember ist auf Einladung von Ute Berg (SPD) Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in Bad Lippspringe. Dort will man den Unmut weiter deutlich äußern.

Artikel vom 05.12.2006