04.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Litwinenkos Gifttod jetzt
auch ein Fall für das FBI

Italienischer Kontaktmann in London unter Quarantäne

London/Moskau (dpa). In die Ermittlungen zum Gifttod des Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko hat sich jetzt auch das FBI eingeschaltet.
Der 36-jährige Mario Scaramella bangt um sein Leben. Er war Kontaktmann Alexander Litwinenkos.

Die US-Polizei verfolgt nach Berichten der britischen Sonntagspresse ebenfalls den Verdacht, dass der ehemalige russische Geheimagent von Ex-Kollegen ermordet wurde. Nach Litwinenko bangt inzwischen auch dessen italienischer Kontaktmann Mario Scaramella um sein Leben. Der 36-Jährige steht nach der Entdeckung von radioaktiven Spuren in seinem Urin in einer Londoner Klinik unter Quarantäne.
Nach Informationen der Sonntagszeitungen »The Observer« und »Sunday Mirror« vernahmen Beamte von FBI und Scotland Yard in Washington einen Agenten des früheren sowjetischen Geheimdienstes KGB namens Juri Schwets. Er soll angeblich über Informationen verfügen, wonach die Gift-Affäre in Zusammenhang mit der Zerschlagung des russischen Ölkonzerns Yukos steht. Solche Spekulationen gibt es seit längerem.
Der britische Innenminister John Reid kündigte an, dass die Ermittlungen »innerhalb und außerhalb von Großbritannien« ausgeweitet würden. Nach Informationen des britischen Senders BBC sollen mehrere Beamte in den kommenden Tagen auch nach Moskau reisen. Die russischen Behörden haben bereits mehrfach Hilfe bei der Aufklärung zugesagt. Alle Vorwürfe, der Kreml oder andere staatliche Stellen stünden hinter dem Mordkomplott, werden in Russland zurückgewiesen.
Scaramella stand gestern weiter unter strenger Kontrolle der Ärzte. In seinem Urin wurden ebenfalls Spuren der Substanz Polonium 210 entdeckt, mit der Litwinenko vermutlich am 1. November vergiftet wurde. Beide waren an diesem Tag gemeinsam in London in einem japanischen Restaurant. Die radioaktive Belastung im Körper des Italieners ist nach Auskunft der Ärzte erheblich geringer als bei Litwinenko.
Die Dosis sei aber ebenfalls »potenziell tödlich« gewesen, ließ Scaramella über seinen Anwalt erklären. Befürchtet wird, dass er an Krebs erkranken könnte. Auf welchem Weg die radioaktive Substanz in seinen Körper kam, wissen die Ärzte bislang nicht. Auch bei Litwinenkos Witwe Marina (44) wurden Polonium-Spuren gefunden. Die Gefahr für sie ist nach Einschätzung der Ärzte aber so gering, dass sie zu Hause bleiben kann.
In der britischen Sonntagspresse wurde weiter über mutmaßliche Täter und Motive spekuliert. Der »Observer« berichtete unter Berufung auf eine russische Studentin, dass Litwinenko im Besitz von Geheimdienstdokumenten war, mit denen er andere erpressen wollte. Die Liste habe von reichen russischen Geschäftsleuten über korrupte Beamte bis hin zu »Quellen im Kreml« gereicht.
Die Obduktion des Leichnams, die unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfand, ist inzwischen abgeschlossen. Nach Informationen des »Guardian« enthielt der Körper eine 100fach tödliche Polonium-Dosis. Auf dem Schwarzmarkt hätte die Menge 20 Millionen Pfund (fast 30 Millionen Euro) gekostet.
Unterdessen gaben die Behörden alle drei Maschinen der Fluggesellschaft British Airways (BA), in denen radioaktive Spuren vermutet wurden, wieder frei.

Artikel vom 04.12.2006