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Glück unter Costa Ricas Palmen

Familie Beuthner hat Deutschland im Oktober 2005 den Rücken gekehrt und nichts bereut

Von Dirk Bodderas
Rheda-Wiedenbrück/ Tamarindo (WB). »Es war und ist ein großes Abenteuer, eine Lebensschule. Wenn man sich in einem anderen Land mit einer anderen Kultur eingelebt hat, kann man auf der ganzen Welt Fuß fassen« - sagt Horst Beuthner. Und fügt hinzu: »Wir bereuen nichts«. Vor gut einem Jahr haben sich er, seine Frau Petra und ihre beiden Söhne Konstantin und Jonathan Costa Rica als neuen Lebensmittelpunkt gewählt (das WESTFALEN-BLATT berichtete exklusiv). Ein großer Schritt mit manchem Stolperstein...

»....denn man kann planen, was man will. Am Ende wird doch alles über den Haufen geworfen«, sagt der Familienvater und gelernte Kraftfahrzeugmeister. Die mit einem Überseecontainer von Deutschland nach San Jose ver- schifften Strand-Buggys gab der Zoll erst nach Monaten frei, das Haus - von einem deutschen Immobilienmakler vor Ort vermittelt - war heruntergekommen und musste aufwändig hergerichtet werden. Das 10 000 Quadratmeter große Grundstück - total verwildert. Lange Zeit wohnten Beuthners in nur zwei Zimmern. Die Familie weiß jetzt, was ein Bekannter mit dem Spruch »Hüte dich vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Ausland sind«, meinte.
Sei's drum. Die schwierige Startphase ist vergessen, das normale Leben hat Einzug gehalten. Jonathan und Konstantin fühlen sich in der Privatschule pudelwohl, sprechen inzwischen akzentfreies Amerikanisch. Petra Beuthner kümmert sich um Haus und Hof. Bei diesen Dimensionen mindestens ein Fulltime-Job.
Zehn Monate brauchte Horst Beuthner nach eigenem Bekunden, um ein »Netzwerk der schnellen Entscheidungen« aufzubauen und selbstständig Behördengänge zu erledigen. Er weiß, dass ein paar Dollars helfen, um den mit einer Pumpgun bewaffneten Türsteher einer Bank davon zu überzeugen, dass man nicht eine Stunde auf den Gang zum Schalter warten möchte - Kleinigkeiten, die das Leben in der Schweiz Mittelamerikas angenehmer machen.
Das Geld für den Unterhalt seiner Familie verdient Horst Beuthner unter anderem mit Buggy-Touren. Gerne lassen sich (unter anderem) solvente Amerikaner mit den Spaßmobilen durch die nahe Umgebung und zu einsamen Stränden leiten. Drei Stunden inklusive Kaltgetränk - macht 85 Dollar. Ist ein Buggy mit zwei Personen besetzt, kostet der Ausflug 20 Dollar mehr. Zwei Agenten rühren die Werbetrommel und kassieren ein Fünftel Umsatzprovision. Noch bis vor Kurzem liefen die Geschäfte nicht so gut, weil die Regenzeit viele Bäche zu Flüssen anschwellen ließ und manche Durchfahrt unmöglich machte. Mitte November, sagt Horst Beuthner, habe die Trockenzeit begonnen - »meine Saison«. Der Bundesstaat Guanacaste, in dem die Auswanderer leben, ist so groß wie Niedersachsen und erwartet, so sagen Kenner, bis zu einer Million Touristen.
Vier der zehn zum Verleih aus Deutschland importierte Motorroller hat Horst Beuthner inzwischen verkauft. Grund: In Tamarindo gibt es eh schon etliche Vermieter. Aber der Ex-Rheda-Wiedenbrücker hat (und plant) längst andere berufliche Standbeine. Herumgesprochen hat sich bereits, dass er kostengünstig Autos repariert - nach deutschen Standards, versteht sich. Vor kurzem hat beispielsweise ein französischer Architekt seinen Toyota Landcruiser V8 in Beuthners 60 Quadratmeter großem Teakholz-Carport (mit Montagegrube) reparieren lassen. Der Mann war durch einen über Land fahrenden französischen Bäcker auf den Kfz-Meister aufmerksam geworden. Mundpropaganda ist in Costa Rica mehr wert als aufwändige Werbemaßnahmen. Auch das muss man lernen.
Beuthners beste Freunde sind ein deutsch-französisches Ehepaar, das nebenan wohnt. Wobei »nebenan« nicht die Nähe meint, die ein Mitteleuropäer gemeinhin gewohnt ist, denn das Grundstück der Freunde ist mehr als zwei Hektar groß. Befreundet sind Beuthners auch mit einem amerikanisches Ehepaar, sie 70, er 79 Jahre alt. Lernt man sich in der Fremde schneller kennen? Kommt auf die Nationalität an. Amerikaner, sagt Horst Beuthner, pflegten gerne den unverbindlichen Smalltalk. Mit ihnen Freundschaft zu schließen, dauere etwas länger.
Um sich einen weiteren »Income-Producer« (frei übersetzt »Geldquelle«) zu sichern, lassen die Auswanderer in Kürze auf einer eingezäunten, 2500 Quadratmeter großen Parzelle ihres weitläufigen Grundstücks kleine Bungalows (Cabinas) errichten - nebst Teakholz-Rancho mit Palmenblätterdach als Frühstücksraum, Pool und Garten. Hotel Garni auf costa ricanisch, sozusagen.
Als wir mit Horst Beuthner telefonieren, sitzt er in einer Soda-Bar und trinkt ein Bier. Gut 30 Grad zeigt das Thermometer in seiner neuen Heimat, nur zehn Minuten von der Touristenhochburg Tamarindo entfernt. Für die Jahreszeit viel zu warme neun Grad sind es in Rheda-Wiedenbrück. Und wie verabschieden sich Costa Ricaner für gewöhnlich? Sie sagen: »Pura Vida«, was so viel heißt wie »tolles Leben.«

Artikel vom 02.12.2006