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Baskets vor Geisterkulisse
mit gruseliger Vorstellung

66:76 - Paderborn spielt in Braunschweig nur zehn Minuten Basketball

Von Elmar Neumann
Braunschweig (WV). Als die schlechteste Saisonleistung der Paderborn Baskets (endlich) Geschichte, das 66:76 (23:38) in Braunschweig beschlossene Sache war, sahen die Vereinsverantwortlichen aus der VW-Halle nach Halle. Doug Spradley war es vorbehalten, den sportlichen Blick zu bemühen: »Wenn wir gegen Bonn so spielen, verlieren wir mit 30 Punkten.« Präsident Udo Fölling ordnete diese Drei-Viertel-Blamage aus wirtschaftlicher Perspektive ein: »Ich kann nur hoffen, dass uns das Ergebnis nicht auch Zuschauer kostet.«

Zunächst kostet diese Niederlage bei den bis Samstagabend punktgleichen Niedersachsen zwei Zähler und viel Vertrauen. Denn so, wie sich die Gäste im ersten, zweiten und vierten Viertel präsentierten, muss man sich um den Aufsteiger auch bei weiterhin sechs Punkten Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz große Sorgen machen. 1710 Zuschauer in der 6600 Fans fassenden Volkswagen-Halle bildeten eine Geisterkulisse, vor der die Baskets eine entsprechend gruselige Vorstellung boten. »Jeder weiß, was ich auf dem Feld sehen will. Davon war in der ersten Halbzeit aber nichts zu erkennen und deswegen bin ich von meinen Jungs sehr, sehr enttäuscht«, sagte Coach Spradley.
Bis zum 11:11 (8.) deutete nichts auf die folgende Demütigung hin, dann aber alles. Auch ohne ihren verletzten Kapitän Drazan Tomic zogen die Gastgeber erst auf 19:11 und bis zum Seitenwechsel gar auf 38:23 davon. Allein Jordan Collins sorgte mit elf Punkten dafür, dass der Zwischenstand nicht noch debakulösere Ausmaße annahm. Der einzige Paderborner Lichtblick in einer ersten Halbzeit, die sich nahezu ganz auf die Aussagekraft der letzten beiden Aktionen reduzieren ließ: Während Braunschweigs Milko Bjelica sich beim Dunking foulen ließ und auch den leicht verdienten Freiwurf zum Drei-Punkt-Spiel verwandelte, brachten die Baskets in ihrem letzten uninspirierten Angriff nur einen Notwurf von Tim Black zustande. Der Dreier des Mannschaftskapitäns fand zwar sein Ziel, hatte die Hand bezeichnenderweise aber erst nach der Sirene verlassen.
»Ich habe für diese Leistung keine Erklärung. Es gibt Tage, an denen man nicht trifft, aber hart und intensiv verteidigen kann man immer. Das ist nur eine Frage der Einstellung«, formulierte ein völlig frustrierter Trainer. Beim Liganeuling funktionierte sogar so wenig, dass in Spradleys Kopf auch das folgende Gedankenspiel ablief: »Wenn es so weiter gelaufen wäre, hätten Daniel Lieneke, Martin Duggen und auch Christoph Hackenesch von mir in der zweiten Halbzeit 15 Minuten Einsatzzeit bekommen.« Diese erzieherische Maßnahme indes ersparte der Übungsleiter seinen Stammkräften. Bis auf 43:26 (23.) zogen die Phantoms davon, ehe das eintrat, was diese achte Niederlage im Rückblick noch bitterer erscheinen lässt: Plötzlich nämlich nahm auch Paderborn an diesem Spiel teil und zeigte zehn Minuten lang, mit welch einfachen Mitteln dieser überschaubar fähige Gegner zu dominieren gewesen wäre. Die ersten neun Punkte von »Teddy« Gipson, acht weitere von Collins, der mit zwei Dreiern in Serie auf 48:46 (30.) verkürzte, und aus einem verloren geglaubten Spiel war ein offenes geworden.
Wer jetzt dachte, die Baskets hätten das Momentum auf ihrer Seite, weil Braunschweig in der Vorwoche sowohl gegen Meister Köln (72:58) als auch gegen Zweitligist Schalke (75:66) einen klaren Vorsprung verspielt hatte, sah sich allerdings getäuscht. Mit Beginn des Schlussabschnitts antworteten die Mutapcic-Mannen mit einem 7:2-Lauf, derweil die Spradley-Schützlinge in den alten Trott verfielen. Von dem überlegten und konsequenten Spiel des dritten Viertels war nichts mehr zu sehen, stattdessen bestimmten Einzelaktionen die Offensiv-Szenerie. »Einige Spieler denken momentan zu sehr an sich und daran, wie sie selbst die nächsten Punkte erzielen können. Das macht sich im Angriff, aber natürlich auch in der Verteidigung negativ bemerkbar«, sah Doug Spradley zu viele Egozocker und zu wenig Teamplayer. Gegen hochprozentig treffende Braunschweiger (56/Baskets: 39) reichte diese Mentalität nur noch, um sich bis zum 63:59 eine theoretische Siegchance zu wahren. Ein Dreier von Ashanti Cook - aus der hintersten Hallen-Ecke - machte aber schließlich auch die letzten Hoffnungen zunichte (68:59/39.).
Die 100 mitgereisten Baskets-Fans waren bedient. Sie hatten ihre Konkurrenten fest im Griff, ihr Team nicht. Ob dieser spielerische Offenbarungseid neben zwei Zählern auch noch einige Zuschauer kostet, wird jedoch erst der kommenden Sonntag zeigen.

Artikel vom 04.12.2006