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Eine Venus auf
Pfennigabsätzen

Theater wird zum Lunapark

Von Wilhelm Friedemann
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Ist der Mond eine Frau? Bei Paul Lincke regiert »Frau Luna« den Erdtrabanten, und es sind gleich zwei Frauen, die Fritz Steppkes Kopf verdreht haben. Das Detmolder Landestheater garantierte am Dienstag mit der heiteren Operette aus dem Berliner Milieu der zwanziger Jahre eine dichte Folge von Evergreens, agiles Bühnentreiben und phantastische Bühnenbilder.

Kein Programmheft gab es für die 340 Zuschauer im Theater im Park, sondern ein mit Liebe zum Detail gestaltetes Extrablatt der »Luna-Zeitung« mit der Schlagzeile »Erste Berliner auf dem Mond gelandet!« auf der Titelseite.
»Das ist der Zauber von Berlin«, sangen die Christen des Detmolder Landestheaters, während sie auf der Bühne tanzten. Leider wurde der Gesang vom Orchester überdeckt, so dass viele Textpassagen unverständlich blieben.
Markige Sprüche der im Berliner Dialekt redenden Protagonisten zogen sich durch das Stück und sorgten für reichlich Lacher. So behauptete Hausmeister Wilhelm Pannecke (Michael Klein): »Ein Witwer, der wieder heiratet, verdient nicht, dass seine erste Frau gestorben ist.«
Linckes burleske Musikrevue erzählt von Fritz Steppke, der davon träumt, Luftfahrtkapitän zu werden. Stefan Stechmann verlieh der Figur die jovialen Attitüden eines verträumten Luftikusses, dem die Welt offen steht.
Jutta Maria Fries brillierte mit ihrer Eröffnungsarie »Wenn die Nacht sich niedersenkt«. Während ihres Gesangs wurde sie von drei Damen umtanzt, die von Anke Drewes-Siebenborn mit der typischen Hut-, Kleider- und Handschuhmode der zwanziger Jahre ausstaffiert waren.
Den großen Reiz von Linckes Operette macht die Verwandlung aus, nach der eine Traumhandlung auf dem Mond stattfindet. In Steppkes Traum tauchten ihm vertraute Personen in veränderter Gestalt auf. Hier konnte sich Regisseur Ernst Buder gemeinsam mit den Bühnen-, Kostüm- und Maskenbildnern ganz seiner Phantasie hingeben. Besonders frappierend war die Wandlung von Schneider Lämmermeier (Manfred Ohnoutka) zur Liebesgöttin Venus, die sich trotz hoher Pfennigabsätze anmutig und behände auf der Bühne bewegte.
   Die Erdbewohner machten Bekanntschaft mit der Mondpolizei, Frau Luna hieß die Erdlinge aufs Herzlichste willkommen, und Dirigent Jörg Pitschmann wurde kurzerhand zum Mondkapellmeister befördert.
Wenn auch die Handlung nicht immer einem roten Faden folgte, so entschädigten doch die vielen einprägsamen Melodien wie »Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe«, »O Theophil, o Theophil« oder »Das macht die Berliner Luft«. Die große Leistung Jörg Pischmanns gegen das klatschende Publikum anzudirigieren und Orchester, Gesangssolisten und Chor zu synchronisieren, verdient Hochachtung. Richard Lowes aufwendige und perfekt dargebotene Choreographie verlangte den in der Oper beheimateten Sängern Musicalqualitäten ab.
Zum Schluss der Operette fanden alle Pärchen zueinander und stilecht bediente ein Berliner Bär auf der Bühne die große Trommel.

Artikel vom 30.11.2006