01.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Nur Kampf und drei Punkte zählen«

Freiburg kommt: WV-Interview mit René Müller

Von Matthias Reichstein
Paderborn (WV). Er hat selbst keinen Lauf, war verletzt und grippekrank, traf erst ein Mal in dieser Saison und musste am Sonntag beim 0:1 in Aue nach einer Stunde runter. Doch René Müller, Kapitän des Fußball-Zweitligisten SC Paderborn 07, stellt sich der Kritik. Im Interview mit dem WESTFÄLISCHEN VOLKSBLATT äußert sich der 32-Jährige vor dem heutigen Heimspiel gegen den SC Freiburg (18 Uhr, Hermann-Löns-Stadion) zur aktuellen Situation.

Herr Müller, am Sonntag in Aue mussten Sie als Kapitän nach einer Stunde runter. Zum ersten Mal in dieser Saison, auch zum ersten Mal im SCP-Trikot?Müller: Nein, Jos Luhukay hat mich auch schon mal nach 60 Minuten vom Feld geholt. Aber die Auswechselung am Sonntag ging völlig in Ordnung, ich hatte in Aue einen schlechten Tag und hätte mir selbst die Note 5 gegeben. Mit der 4,5 im Volksblatt bin ich noch zu gut weg gekommen.

Als mangelhaft hätte man aber getrost die gesamte SCP-Offensive bezeichnen können.Müller: Wenn man selbst nichts an den Haken bekommt, steht es einem auch als Kapitän nicht zu, die Mitspieler zu kritisieren. Ich kann nur sagen: Mein Auftritt in Aue war sicher einer der schlechtesten, seitdem ich für den SC Paderborn spiele. So selbstkritisch muss ich sein und deshalb gilt auch gerade für mich persönlich: Gegen den SC Freiburg muss ich wieder an die alte Leistungsstärke anknüpfen. Ich habe jetzt zwei Wochen verletzungsfrei trainiert, das tut mir richtig gut und jetzt kann ich mit der nötigen geistigen und körperlichen Frische an diese sehr schwere Aufgabe rangehen.

Wie wichtig ist das heutige Heimspiel gegen Freiburg?Müller: Alle drei Spiele vor der Winterpause sind unglaublich wichtig für uns, aber dieses Heimspiel ist etwas ganz Besonderes. Nach so vielen Pleiten in den vergangenen Wochen wollen wir heute Abend den Bock umstoßen, das heißt, endlich wieder ins Tor des Gegners treffen und dreifach punkten. Nur so können wir diese Serie mit ihren negativen Begleitumständen beiseite schieben. Man sollte jetzt zwar auch nichts dramatisieren, aber ein Blick auf die Tabelle reicht, dann weiß jeder auf dem Platz und jeder Zuschauer im Stadion, was gegen den SC Freiburg abgehen muss.

Auch der SC Freiburg steht gehörig unter Druck. Hilft das?Müller: Das weiß ich nicht. Die Freiburger wurden vor der Saison als Aufstiegskandidat gehandelt und stehen jetzt noch einen Punkt und einen Platz hinter uns. Deshalb ist es ein Schlüsselspiel für beide. Wenn wir verlieren, geht es weiter nach unten, wenn Freiburg keinen Dreier macht, ist der Zug nach oben endgültig abgefahren.

Reicht ein Tor, um alle Paderborner Probleme zu lösen?Müller: Natürlich wäre ein Treffer mal so ein Schlüssel und ein Erfolgserlebnis, um die Verunsicherung oder die Blockade zu lösen. Viel wichtiger ist aber, dass wir von Minute eins an als Mannschaft, als Team und als Einheit auftreten, engagiert und couragiert nach vorne spielen und jeder 100 Prozent gibt. Dann sind wir stark genug, jede Mannschaft zu schlagen. Das hat unser Sieg gegen Köln gezeigt.

Das heißt, mit dem Anpfiff muss der schlechte Lauf vergessen sein. Müller: Was wir jetzt gar nicht gebrauchen können, ist, dass wir auch gegen unsere eigene Verunsicherung und gegen unsere eigenen Nerven spielen müssen. Deshalb dürfen wir uns diese Serie mit fünf sieglosen und torlosen Spielen nicht in die Köpfe einmeißeln lassen. Das müssen wir, sobald wir den Rasen betreten, abstreifen.

Wie hat denn die Mannschaft auf das Straftraining reagiert?Müller: Ich habe das weder als Straf- noch als Sondertraining empfunden. Bei uns hakt es im Moment im Offensivspiel, deshalb ist es eine logische Sache, dass man Dinge wie Laufwege oder Passformen versucht neu in die Köpfe programmieren. Wenn man einen negativen Lauf hat, muss man eben mehr machen, um da wieder herauszukommen.

Trainer Roland Seitz sprach aber auch von einer »erzieherischen Maßnahme«.Müller: Wie gesagt, ich habe es nicht als Strafe empfunden. Jeder Einzelne ist jetzt mehr gefordert, jeder muss bei sich selbst anfangen und darf nicht auf andere schauen. Nur so finden wir am Ende auch den Weg daraus.

Der Cheftrainer forderte aber auch einige Spieler auf, sich selbst zu hinterfragen und darüber nachzudenken, welchen Beruf sie haben.Müller: Jeder muss sich persönlich immer hinterfragen und genau das sprach der Trainer an. Was kann ich mehr machen? Was kann ich dazu beitragen, damit der SCP wieder in die Erfolgsspur zurückfindet? Diese Fragen sollte sich jeder von uns stellen. Das soll nicht heißen, dass jeder jetzt sein Leben revolutionieren soll. Aber im Moment ist der Beruf das Allerwichtigste und damit das Spiel am heutigen Freitag. Darauf muss sich alles fokussieren.

Und wenn es wieder nicht zum Dreier reicht?Müller: Darüber denke ich gar nicht nach, das macht einen nur wuselig im Kopf. Ich tendiere immer dazu, einen positiven Grundgedanken im Kopf zu haben. Das heißt nicht, dass ich die Augen vor der Realität verschließe. Freitag zählen nur die Grundtugenden wie Kampf und Leidenschaft. Die Zuschauer müssen sehen, dass da eine Elf auf dem Platz steht, die die drei Punkte holen will. Dann springt auch der Funke vom Rasen auf die Tribüne über und umgekehrt. Gerade die Fans könnten uns jetzt unglaublich helfen.

Wieviele Punkte braucht der SCP bis zur Winterpause.Müller: »Brauchen« ist immer eine nette Frage, neun Punkte wären natürlich das Beste. Aber erst mal drei Punkte gegen Freiburg, den Rest sehen wir dann.

Artikel vom 01.12.2006