30.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Arbeitsunfall: Niemand will Rente zahlen

Paderborner kämpft um sein Recht

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Mehr als 30 Jahre hat Arthur M. (56) fleißig gearbeitet und kaum einmal wegen Krankheit gefehlt. Bis ihn im August 2003 ein Arbeitsunfall unverschuldet zum Krüppel machte. Seitdem kämpft der Familienvater aus Paderborn erfolglos um seine Rente und eine finanzielle Entschädigung.

Auch das Arbeitsgericht Paderborn wies seine Klage gegen den Unfallverursacher und dessen Arbeitgeber jetzt ab.
Arthur M. war während des Neubaus der Bahnstrecke durch die Egge als Sicherungsposten bei Buke eingeteilt. Mit seinem Signalgerät warnte er die Bauarbeiter vor herannahenden Zügen. Doch auf dem Weg zu seinem Postenstand ereilte ihn selbst das Schicksal. »Ich wollte gerade die Gleise überqueren«, erzählt er, »da ist plötzlich ein Bagger rückwärts gefahren und hat mich überrollt«. Der am Bahndamm mit Schotterarbeiten beschäftigte Baggerführer (49) hatte offenbar nicht in den Rückspiegel geschaut.
Arthur M. erlitt Beckenbrüche und schwerste innere Verletzungen. Er ist heute zu 80 Prozent schwerbehindert und wird sein Leben lang auf Gehhilfen angewiesen sein. Von dem Baggerfahrer und dessen Arbeitgeber, einer Tiefbaufirma, verlangt M. 30 000 Euro Schmerzensgeld, 22 000 Euro Schadenersatz sowie die Erstattung künftiger Behandlungskosten und Lohnausfall. »Die beklagte Firma hatte ihre Baustelle unzureichend organisiert und hätte für den Bagger einen Einweiser abstellen müssen«, argumentiert Anwalt Christian Waltemate.
»Ein wirklich schrecklicher Unfall mit schlimmen Folgen«, äußert Arbeitsrichterin Silke Petersen Verständnis. Aber das Sozialgesetzbuch (SGB VII) schließe Ansprüche bei Arbeitsunfällen unter Kollegen und auch gegen den Arbeitgeber aus, sofern die Schädigung nicht vorsätzlich erfolgt sei oder ein Organisationsverschulden beziehungsweise eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Arbeitgeber vorliege. »Eine tragische Gesetzeslücke«, räumte die Richterin ein.
Für Anwalt Waltemate ist der aus dem Unfallversicherungsgesetz von 1884 entstandene und zur Sicherung des Betriebsfriedens geschaffene Paragraph 105 des SGB nicht mehr zeitgemäß. »Mein Mandant kann nicht nachvollziehen, dass er nach einem unverschuldeten Unfall mit leeren Händen dasteht.«
Nach Angaben Waltemates erhielt Arthur M. nach seiner Krankenhausentlassung zunächst Arbeitslosengeld und danach von der Berufsgenossenschaft 400 Euro Rente. Doch inzwischen fühle sich niemand mehr zuständig. Beim Sozialgericht Detmold soll geklärt werden, wer die Rente zahlen muss. Auch mit der Klage gegen den Baggerführer und dessen Arbeitgeber »werden wir den Rechtsweg ausschöpfen«.

Artikel vom 30.11.2006