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Eine unendliche Liebesgeschichte

ZDF verfilmt spätes Eheglück der zwangsumgesiedelten Löhnerin Elvira Profé

Von Per Lütje
Löhne/Mieszkowice (LZ). Wen »Titanic« zu Tränen gerührt hat, der wird gestern Abend beim ZDF-Film »Eine Liebe an der Oder« ins Taschentuch geschluchzt haben. Ein Film von zwei Liebenden, die nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges getrennt werden, und sich nach 48 Jahren wiedersehen und heiraten - eine Geschichte, die unglaublich klingt. Doch es ist die Geschichte der Löhnerin Elvira Profé, die heute glücklich mit ihrem Mann Fortunat in Polen lebt.

Elvira Profé ist 20 Jahre jung, als die Rote Armee am 20. Januar 1945 ihre Großoffensive beginnt. Es gelingt ihr und ihrer Familie, sich in der ostbrandenburgischen Kleinstadt Bärwalde an der Oder vor den sowjetischen Soldaten zu verstecken. Dann wird sie entdeckt, nach Sibirien verschleppt, doch sie überlebt die neunmonatige Gefangenschaft und kehrt 1946 in ihre Heimatstadt, die mittlerweile Mieszkowice heißt, zurück.
Dort lernt sie Fortunat, genannt Fortek Mackiewicz, der aus Litauen zwangsumgesiedelt wurde, kennen und lieben. Doch das junge Glück ist nur von kurzer Dauer. Noch im selben Jahr wird die Familie Profé ausgewiesen, und die Beziehung nimmt ein jähes Ende. »Dass hat furchtbar wehgetan«, beschreibt Fortek seine Gefühle damals. »Aber das war unser Schicksal«.
Elvira und ihre Eltern verschlägt es nach Löhne, genauer gesagt nach Obernbeck. Der Vater, der in Bärwalde eine Zollstockfabrik besaß, wagt den Neuanfang und gründet eine Firma in Ostscheid. Elvira Profé fasst ebenfalls schnell Fuß in der neuen Heimat und gründet im Turnverein Obernbeck 1962 die Gymnastikabteilung. »Bis dahin gab es im Verein gar keine Frauenabteilung«, erzählt Anneliese Poggemöller. Die heute 73-Jährige erinnert sich gut an Elvira Profé: »Sie hat ihre Aufgabe mit Begeisterung wahrgenommen und uns alle damit angesteckt.«
Doch der Schein trügt. Den Schmerz über ihre zurückgelassene Liebe trägt die unverheiratete Elvira Profé tief in ihrem Herzen. »Sie hat sich nie etwas anmerken lassen und auch nie ein Wort über diese unglückliche Liebesgeschichte verloren«, sagt Anneliese Poggemöller, die die Gymnastikabteilung des TV Obernbeck übernahm, als es Elvira Profé beruflich nach Berlin verschlägt.
Im Portemonnaie trug sie über all die Jahre ein altes Passbild von Fortunat. Nach dem Fall der Mauer macht sie sich auf die Suche nach der Liebe ihres Lebens -Êund findet sie 1995 - 48 Jahre nach ihrer Trennung - im ehemaligen Ostpreußen. Auch er, der lange in den Masuren gelebt hatte, ist unverheiratet. »Wir sind uns um den Hals gefallen«, schildert Elvira Profé den Moment ihres Wiedersehens. »Dann waren 50 Jahre weg. Als wenn alles nicht gewesen wäre. Das war ein Phänomen«. Auch Fortek hatte das Gefühl, die Zeit sei stehen geblieben. »Wir haben uns umarmt, und bis heute sind wir zusammen«. Im Jahr 2005 versprachen sich beide das, was sie sich ohne das Schicksal, bereits Jahrzehnte zuvor versprochen hätten: die Ehe. Beide erfüllen sich den Traum vom eigenen Haus und beginnen zu bauen, sie 71 Jahre alt, Fortek 76 Jahre.
»Das hat uns getroffen wie ein Donner, als wir von dieser Geschichte erfuhren«, sagt Heinz Windmann, ebenfalls ein alter Weggefährte Elvira Profés, die heute Mackiewicz heißt, aus dem Turnverein Obernbeck. Der Kontakt zwischen Elvira und dem Verein ist niemals abgebrochen: 2002 kommt das Ehepaar Mackiewicz zum 40-jährigen Bestehen der Gymnastikabteilung nach Obernbeck, und bereits mehrmals folgten Besuche von Vereinsmitgliedern in Polen, zuletzt im vergangenen Jahr. »Den beiden geht es gut. und Elvira ist in Mieszkowice mittlerweile eine sehr angesehene Bürgerin«, sagt Windmann. Wie damals in Obernbeck baut Elvira in ihrer neuen und gleichzeitig alten Heimat eine Gymnastikgruppe auf, fördert den Bau einer Behindertenwerkstatt und organisiert Treffen zwischen Einheimischen und ehemaligen deutschen Bewohnern.
Ihre Mutter, die im Alter von 90 Jahren stirbt, wird als einzige protestantische Deutsche auf dem katholischen Friedhof begraben - auch das Verdienst der stets um Versöhnung bemühten Elvira Mackiewicz. Ihr Vater, der bereits in jüngeren Jahren starb, hat in Obernbeck seine letzte Ruhestätte gefunden.
Die Verfilmung der ungewöhnlichen Liebesgeschichte wollten sich gestern die Vereinsmitglieder des Turnvereins Obernbeck nicht entgehen lassen. »Ich habe mir vorsorglich schon eine Packung Taschentücher bereitgelegt«, sagt Anneliese Poggemöller.
l »Eine Liebe an der Oder« bildete den Auftakt einer dreiteiligen Dokumentations-Reihe »Die Kinder auf der Flucht«. Es sind wahre Begebenheiten mit Spielszenen an Originalschauplätzen. Es ist der Rückblick auf eine Zeit, die über das Schicksal von Millionen von Menschen in Europa entscheid, die durch Flucht und Vertreibung eine neues Leben beginnen mussten. Die weiteren Folgen werden am 5. und 12. Dezember jeweils um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt.

Artikel vom 29.11.2006