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Giftstoffe wandern flugs durch Kunststoff-Membran

HNF zeigt hochmodernes Dialysegerät zur Blutwäsche

Von Sabrina Beck (Text)
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). Mit einem Bericht über das Verfahren der Dialyse setzt das WESTFÄLISCHE VOLKSBLATT heute seine Serie zur Sonderausstellung »Computer.Medizin« im Heinz- Nixdorf-Museumsforum fort.

Die gesunde Niere reinigt das Blut von Abfallstoffen, die durch Stoffwechselvorgänge im Körper entstehen. Kommt es jedoch zu einem akuten oder chronischen Versagen dieses lebenswichtigen Organs, muss der Patient zur »Dialyse«. Die Sonderausstellung »Computer.Medizin« im HNF zeigt in der Abteilung »Eingriffe in den Körper« das bundesweit modernste Hämodialysegerät, hergestellt von der Fresenius Medical Care AG (Bad Homburg). Ein kleiner Rückblick auf die Geschichte der Dialyse verdeutlicht, welche Fortschritte die Medizin seither gemacht hat und welche Vorteile sich für den Patienten daraus ergeben.
Die weltweit erste externe »Blutwäsche«, wie das Verfahren früher genannt wurde, führte Professor Dr. med. Georg Haas 1924 erfolgreich am Patienten durch. Die Idee zur Entwicklung des Blutreinigungsverfahrens kam dem gebürtigen Nürnberger während des Ersten Weltkrieges, als er wiederholt Soldaten an einer Nierenentzündung sterben sah, ohne ihnen helfen zu können. Das klinische Bild der Erkrankten deutete Haas als Selbstvergiftung. Er erinnerte sich an eine Methode zur Trennung chemischer Substanzen, die er während seiner ärztlichen Ausbildung in Straßburg erlernt hatte und überlegte, ob man auch die Giftstoffe im menschlichen Blut auf diese Weise entfernen könne. Die Idee des Mediziners war es, das Blut an einer Membran vorbei zu leiten, auf deren anderer Seite eine wässrige Flüssigkeit sein müsste, in welche die Giftstoffe durch die Membran wandern könnten.
Haas experimentierte mit diversen Materialien, die ihm als Membran geeignet schienen: Mit Papyrus, mit Bauchfell und schließlich mit Kollodium, einem Vorläufer der heutigen Kunststoffe. Er stellte selbst Kollodium-Membrane und -Schläuche her, konstruierte ein passendes Gestell und leitete das Blut durch Schläuche, die außen von einer Lösung umspült wurden.
Heute werden in Deutschland rund 95 Prozent aller Dialyse-Patienten nach Haas' Methode behandelt. Die maschinelle »Blutwäsche« ist modernisiert und vereinfacht worden - doch das Grundprinzip ist gleich geblieben. »Die neue Technik bringt vor allem Vorteile für die Dialyse-Patienten«, erläutert Dr. Gottfried Hermeyer, Kurator der Schau »Computer.Medizin«. Abgesehen von der Genauigkeit des Gerätes und der verminderten Belastung für den Körper käme dem Patienten mehr Aufmerksamkeit durch Ärzte und Schwestern zu. »Musste das medizinische Personal noch bis vor wenigen Jahren ständig den Ablauf der Behandlung überwachen und viele Handgriffe selbst übernehmen, haben die Schwestern heute mehr Zeit, sich um den Menschen auf der Behandlungsbank zu kümmern«, betont Hermeyer.
»Das Hämodialysegerät überwacht während des Blutreinigungsvorganges den Blutkreislauf, kontrolliert die Zusammensetzung der Dialyselösung, setzt dem Blut gerinnungshemmende Stoffe zu und erfasst ganz nebenbei noch alle wichtigen Parameter.« Früher habe die Schwester die Werte ablesen, abschreiben, ausrechnen und bilanzieren müssen - heute funktioniert das digital. »Das Risiko menschlicher Fehler wird gesenkt«, unterstreicht der Fachmann.

Artikel vom 19.12.2006