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Kunstvoll bis
in das Detail

Gitarrenvirtuose Aniello Desiderio

Von Wolfgang Günther
Paderborn (WV). Aniello Desiderio, ein international hochgerühmter und mit vielen Preisen ausgezeichneter italienischer Gitarrist, war zum Abschluss des Internationalen Gitarrenfestival zugleich Gast im dritten Kammerkonzert im Audienzsaal Schloß Neuhaus.

Mit seinem begeisternden Spiel vermochte er es, dieses Kammerkonzert zu einem glanzvollen Gitarrenfest werden zu lassen. Dass sich die Gitarre in all ihren verschiedenen Stilarten stets großer Beliebtheit erfreut - scheinbar mit wachsender Tendenz -, zeigte die Menge der Konzertbesucher im ausverkauften Audienzsaal, der für solch einen Soloabend bestens geeignet ist.
In seinem Programm bot Desiderio ausschließlich Werke italienischer Komponisten aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert; es waren Originalwerke und Arrangements. Seinen Schwerpunkt hatte er auf die Interpretation virtuoser Gitarrenmusik des 19. Jahrhunderts gelegt; eine Zeit, in der sich die Instrumentaltechnik auf allen Instrumenten rasant entwickelte.
Desiderio ist ein Vollblutmusiker und ein Künstler, der den Geist der Musik und den Gehalt der Komposition in der Tiefe aufspüren möchte, um sie dem Publikum in einer größtmöglichen Ästhetik mitteilen zu können. Natürlich weiß er um die Gefahr des Selbstzwecks der Virtuosität; bei ihm bleibt sie stets Dienerin zur Steigerung und Intensivierung des Ausdrucks, und diesen Anspruch gibt er in keiner Phase seines Spiels auf.
Seine wie natürlich und selbstverständlich wirkende, höchst kunstvolle Spielweise, die bis in kleinste Nuancen nur mit äußerster Disziplin zu erreichen ist, stellte er vollends in den Dienst, die Sprache des Komponisten zu ergründen. So war ihm die Ebene der melodietragenden Stimmen die wichtigste - hier gelang ihm eine vom Gesang her bestimmende Gestaltung; die tonreichen, im Satz manchmal recht dichten Begleitstimmen erhielten eine andere dynamische Ebene.
Stets vom Pianobereich ausgehend war sein Spiel geprägt von feinsten dynamischen Abstufungen; dabei ging ihm keine Note verloren, jedes noch so kleinste Detail erhielt eine individuelle Formung. Selbst in den schnellsten Teilen war sein Ansatz die innere Ruhe und die unbedingte Gestaltung der übergeordneten Melodie.
In den schnellen Sätzen - wie in den Sonaten von Scarlatti - schenkte er sich nichts: es gab absolut keine Verzögerungen aufgrund spieltechnischer Probleme. Seine makellos funktionierende Technik ermöglichte ihm dies. Die glänzende Technik war absolut sicher - Ausdruck und Gestaltung basierten auf einem inneren Ansatz; so ermöglichte Desiderio dem Hörer ein konzentriertes Hören, das auch feinste dynamische Nuancen registrieren konnte.
Nach einer Sonate von Paganini mit einem höchst interessanten Variationssatz folgte von Tedesco Capriccio Diabolico »Omaggio a Paganini«: eine Reflexion mit den harmonischen Mitteln unserer Zeit über die unbegreifliche Geigenkunst Paganinis - sehr effektvoll auf die Gitarre übertragen.
Im zweiten Teil des Abends erklangen Werke von Fernando Sor mit Variationen über ein Thema von Mozart und über das Chorlied »Das klinget so herrlich, das klinget so schön« aus der »Zauberflöte«. Es war ein Genuss, beliebte Melodien mit diesen kunstvollen Variationen zu hören.
Der Höhepunkt des Abends war die »Rossiniana« von Giuliani - durch die einfallsreichen Verknüpfungen eine recht ansprechende Komposition. Durch die großen Steigerungen, die Desiderio auf seinem Instrument erzielen konnte, war seine Interpretation einfach hinreißend, brillant und nachhaltig beeindruckend. Als Dank für den begeisterten Beifall spielte er als Zugabe ein kleines, verhaltenes Stück von Satie.

Artikel vom 29.11.2006