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Ein Lipper kocht im Reichstag

Lippische Ananas, der Trick mit der Hefe und das Zanderfilet

Aus der Hauptstadt berichtet
Peter Reineke (Text und Foto)
Berlin (SZ). Eine Woche lang gab es im Berliner Reichstag lippische Kost. Holger Lemke, Küchenchef des »Weißen Ross« im Freilichtmuseum Detmold, zieht Bilanz - und verrät, welches Gericht den Politikern am besten gefallen hat.

Beim Anblick der Speisekarte kratzte sich der Abgeordnete am Kopf. »Schaumsüppchen von der lippischen Ananas mit Entenschinken« wurde da vollmundig versprochen. Lippische Ananas? Ist der Klimawandel bereits so extrem? Einem Lipper muss man natürlich nicht erklären, dass sich dahinter nur eine ordinäre Steckrübe verbirgt. Im Abgeordnetenrestaurant des Deutschen Bundestages war diese Delikatesse bis zur vergangenen Woche allerdings noch unbekannt.
Auch die Kellner waren zunächst ratlos. Eigentlich sind die Servicekräfte kulinarisch geschult, schließlich wird das Res-taurant vom Feinkost-Gastronom »Käfer« aus München betrieben. Doch wegen der lippischen Ananas mussten sie Rat von einem Fachmann einholen: Holger Lemke, Küchenchef »Im Weißen RossÜ im Freilichtmuseum Detmold, und in der vergangenen Woche Chefkoch bei der »Kulinarischen Lippe-Reise im Berliner Reichstag«.
Lemke schaute den Berliner Kollegen über die Schulter und gab wertvolle Tipps, wie Pickert, Grünkohl und Pfefferpotthast zubereitet werden müssen, damit das Essen auch nach Lippe schmeckt. Der Pickert etwa ist auch für einen gestandenen Koch noch eine Herausforderung. Schließlich muss die Hefe bei der richtigen Temperatur aufgehen, damit der Pickert hinterher locker-luftig schmeckt.
Das lippische Nationalgericht gab es zu jedem Essen als Appetithäppchen dazu, wahlweise mit Leberwurst oder Pflaumenmus. Lemke freut sich, dass die Speisen von den Gästen gut angenommen wurden. Das ist im Reichstag offenbar nicht immer so gewesen. Einige Regionen aus Norddeutschland hätten sich in der Vergangenheit im Restaurant arg fischlastig präsentiert. »Da hat sich dann manchmal keiner rangetraut«, sagt Lemke schmunzelnd.
Mit Abstand am häufigsten verlangt wurde in der vergangenen Woche allerdings das »Zanderfilet mit Pumpernickelkruste auf Mangoldgemüse und Rote Bete Soße«. Aber auch die »Dicken Bohnen mit gebratenem Bauchspeck und Kasseler mit Bratkartoffeln« sowie der »Pfefferpotthast vom Hirsch mit Mandelbrokkoli und Vollkornspätzle« waren gefragt. So gefragt, dass diese Gerichte auch in der kommenden Woche noch auf dem Speiseplan stehen. Vermissen werden die Kantinenbesucher in Berlin dagegen das Detmolder Pilsener. Die Bügelflaschen waren sehr beliebt - natürlich erst abends, nachdem im Plenarsaal die letzte Rede gehalten worden war.
Persönliche Dankesworte für das kulinarische Angebot gab es unter anderem von Gudrun Kopp (FDP) aus Lage und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), die Lemke in der Küche besuchten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde bei der »Lippischen Woche« hingegen nicht im Abgeordnetenrestaurant gesehen.
Für den Koch aus Detmold war der berufliche Abstecher in die Hauptstadt eine interessante Erfahrung. Wenn die Politiker in den Abstimmungspausen in das Restaurant kommen, müsse alles »wahnsinnig schnell« gehen, sagt Lemke. »Da darf nichts schief gehen und natürlich wollen wir dabei alle Gäste gleich behandeln.« Eine Ruhepause gibt es für Lemke nicht. Seit Samstag steht er wieder »Im Weißen Ross« am Herd: »Adventsknuspern« im Freilichtmuseum.

Artikel vom 27.11.2006