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Kreuzverhör wird nicht kopiert

Berliner Ensemble setzt eigene Schwerpunkte des Agatha-Christie-Stücks

Von Wilhelm Friedemann
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Das »Berliner Kriminal Theater« ist ein gern gesehener Gast im Theater im Park. Nach der »Mausefalle« im vergangenen Jahr gastierte das Ensemble aktuell mit Agatha Christies »Zeugin der Anklage« in Bad Oeynhausen und bereicherte die erfolgreiche Krimi-Reihe des Staatsbades durch eine spannende und mit einer unterhaltsamen Prise Humor gewürzten Inszenierung.

Weltbekannt wurde Christies Roman durch die Billy-Wilder-Verfilmung aus dem Jahr 1957 mit Marlene Dietrich und Charles Laughton in den Hauptrollen. Zwei unnachahmliche Charakterdarsteller, die die Mitglieder des »Berliner Kriminal Theaters« glücklicherweise nicht zu kopieren versuchten.
Doch nicht die Schauspieler hatten das erste Wort, sondern Theaterleiter Wolfgang Seppelt trat auf die Bühne und begrüßte das Publikum beim Nachholtermin für das in der vergangenen Spielzeit ausgefallene Stück. Seinem Hinweis, dass der Regisseur Wolfgang Rumpf höchstpersönlich die Rolle des Inspektors Hearne übernahm, fügte er mit Berliner Charme hinzu: »Keine Angst, Rumpf ist Schauspieler!«
Seine Position im Ensemble demonstrierte Rumpf auf komödiantische Art, indem er sich mit Oberinspektor anreden ließ - ein Fantasietitel, den ansonsten nur Herr Derrick gebraucht und was zum »Running Gag« dieser Aufführung wurde. Bei seiner Aussage vor Gericht benötigte Rumpf ein Textbuch, das er blendend in seine Rolle einbaute. Mit einem Augenzwinkern entließ ihn der leicht senile Richter, vorzüglich vom 78-jährigen Manfred Borges gespielt, mit der Bemerkung: »Danke, Sie haben ihre Sache sehr gut gemacht.«
Strafverteidiger Sir Wilfrid Robarts wurde von Paul Weismann dargestellt. Interessiert und bisweilen skeptisch führte er im Vorfeld Zeugenbefragungen durch. Das Plädoyer im zweiten Akt gab Weismann Raum, um seine rhetorischen Fähigkeiten zum fesselnden Monologisieren unter Beweis zu stellen.
Überzeugend kühl und lasziv gelang Gundula Piepenbring die Verkörperung von Christine, der Zeugin der Anklage. Ihr Ehemann Leonard Vole (Andreas Dilschneider) zeigte in aufgeregten Momenten sprechtechnische Schwächen und war teilweise schwer zu verstehen.
Die schrullige Haushälterin Janet MacKenzie (Anette Felber) bot in ihrer aufgeregten, aber sehr bestimmten Art, vor Gericht zu erscheinen, gehörigen Anlass zum Schmunzeln. Als großartig ist der dreifache Rollenwechsel von Christian A. Hoelzke zu bezeichnen, der neben dem biederen Anwalt John Mayhew den militärisch korrekten Gerichtsmediziner Dr. Wyatt und den mit hoher Fistelstimme redenden Labortechniker Clegg spielte.
Selbstsicher und dominant legte Werner Ziebig seine Rolle als Staatsanwalt Mr. Myers an. Gepaart mit seiner imposanten Erscheinung bot er einen ebenbürtigen Gegenspieler zu Sir Wilfrid.
Die 200 Zuschauer im Theater im Park waren vor allem vom überraschenden Ende des Stückes verblüfft und sparten nicht mit Applaus.

Artikel vom 25.11.2006