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»Busch ist ein Weiser«

Schauspieler Bernd Surholt begeistert das Publikum

Rietberg (joz). Nannte ihn Albert Einstein einen »Meister der Treffsicherheit« oder urteilte Golo Mann, dass sich die Menschen von ihm erkannt fühlten »in einer Art, die ihnen gefiel«, so kam Gerhard Hauptmann zu dem Schluss: »Er ist ein Weiser«. Die Rede ist von Wilhelm Busch.

Drei von dessen ursprünglich in Zusammenhang mit zahlreichen Zeichnungen stehenden Geschichtenzyklen in Reimform hat der Schauspieler Bernd Surholt am Donnerstagabend im Alten Progymnasium szenisch vorgespielt. »Helene in Szene« nannte sich jene Wilhelm-Busch-Theaterreise, auf welche der Hannoveraner Akteur sein Publikum in der von der Volkshochschule Reckenberg- Ems veranstalteten Aufführung entführte. Obgleich Wilhelm Busch mittlerweile bald 100 Jahre tot ist, wirkten sowohl seine höchst geistreichen gesellschafskritisch-satirisch inszenierten Streiche, Schwänke und Scharaden als auch seine unverkennbare, zumeist jedoch zwischen den Zeilen zu vernehmende Stringenz bezüglich unerreichbarer moralischer Ziele zeitlos. Mit viel Humor und Witz wurden menschliche Regungen der Eitelkeit, des Neides, der falschen Unterwürfigkeit, der Schadenfreude in der Art zum Besten gegeben, dass der hintergründige Sinn des Guten nicht verloren ging. Als Busch-Kenner, der »alles von Busch gelesen« hat, sprach Surholt die Texte der von ihm gespielten Geschichten über Antonius und dessen alltägliche sowie klösterliche Begegnungen oder über Helene mit ihrem Vetter Franz, Tante und Onkel Nolte sowie Jean und über den Dichter Balduin Bälam alles andere als langsam. Zudem schlüpfte der wiederholt seine szenischen Umsetzungen mit übertriebenem Schreiten und den Worten »Eins, zwei, drei im Sauseschritt, geht die Zeit. Wir gehen mit!« einleitende auch gestisch sowie in der Gesichtsmimik außerordentlich vielseitig bewegliche Komödiant ständig in die verschiedenen Rollen. Annäherungsreiche Verliebtheiten wechselten sich mit streiterischen Missverständnissen, die bis zu Schlagabtäuschen und gar Mord und Totschlag führten ab. Was sollte daran aktuell sein, außer dass sich die Grundmuster des Allzumenschlichen wohl auch seit hundert Jahren nicht geändert haben? Nein, allein dies machte Busch nicht zeitgemäß. Es sind vielmehr die tiefgründigen und zu eigenen Gedanken bis zum Philosophieren anregenden, den ganzen Menschen inklusive seiner vielschichtigen Abartigkeiten sowie die Frage nach höheren Werten betreffenden geistreichen Inhalte, die wohlgemerkt zwischen, hinter und durch die Zeilen hindurchblitzten. Ihnen wurde Surholt, der dem Zeichner und Dichter Wilhelm Busch ein Theatergesicht verlieh, feinsinnig gerecht.

Artikel vom 25.11.2006