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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Christoph Fischer

Christoph Fischer ist Pastor in Gehlenbeck.

»Weißt du denn nicht, wie das ist, wenn du in den Himmel kommst? Im Himmel, da reden die über nix anderes als über das Meer, und darüber, wie wunderwunderschön es ist. Sie reden über den Sonnenuntergang, den sie gesehen haben.
Sie reden darüber, wie sie spüren konnten, wie die Sonne ihre Kraft verlor, und die Kühle vom Meer heraufzog, und das Feuer nur noch in ihrem Innern glühte. Und du? Du kannst nicht mitreden, weil du warst ja noch nie dagewesen.«
In dem Film »KnockinÕ on heavenÕs door« beschließen zwei krebskranke Männer, ans Meer zu fahren. Dabei lassen sie alles hinter sich: Polizei, Gangster, Frauen und die Angst vor dem Sterben. Das alles nur, um einmal das Meer zu sehen und zu spüren.
Einmal das Meer sehen, den Ort grenzenloser Freiheit und der eigenen Träume und Sehnsüchte, den Sonnenuntergang und die unendliche Weite, wo nur der Himmel die Grenze ist.
Einmal noch das Meer sehen. Ein Wunsch, der unbedingt erfüllt werden muss. Eine Sache noch erleben, bevor man stirbt; verrückt sein und Dinge unternehmen, die man immer schon mal tun wollte. In dem Film erfüllen sich die beiden ihren Wunsch. Und sie sterben am Meer.
In der Realität ist es natürlich oft anders. Die Zeit läuft davon, die Kräfte sind nicht mehr vor-handen oder der Wille ist nicht mehr da. Wünsche und Sehnsüchte bleiben unerfüllt: Weihnachten wird nicht mehr erlebt, die Silberhochzeit nicht mehr und das Licht des nächsten Frühlings auch nicht mehr. Unausgesprochene Dinge bleiben ungesagt, und Streit wird nicht geschlichtet.
Menschen sterben, ohne das Meer gesehen zu haben. Oft genug, weil sie es nicht mehr können. Aber manchmal auch, weil zu viel dazwischen kommt, weil zu viel im Wege steht.
»Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.« Dieser Satz aus dem Buch der Psalmen wird oft zu Beerdigungen gesprochen, und er gilt natürlich nicht den Toten, sondern den Lebenden. Wir Menschen werden geboren und wir müssen sterben. Die Zeit dazwischen wird uns von Gott geschenkt. Menschen, so der Psalmbeter, sollen an ihre Sterblichkeit denken.
Unser Leben ist zugleich begrenzt und geschenkt. Und wir dürfen dieses Geschenk Gottes annehmen und uns unsere Sehnsüchte und Träume erfüllen. Wir dürfen ans Meer fahren und erleben, dass nur der Himmel die Grenze des Horizontes ist.
»Weißt du denn nicht, wie das ist, wenn du in den Himmel kommst?« Die Frage nach dem, was hinter dem Horizont ist, ist nicht zu beantworten. Was nach unserem Tod passiert, übersteigt unsere Vorstellungskraft. Wir glauben und hoffen, dass das Leben auf der Erde nicht alles gewesen ist und dass es Gott mit uns gut und richtig macht.
Wir hoffen, dass wir unsere Lieben wieder sehen. Aber mehr als Hoffnung ist nicht. Wer klug sein will, der richtet den Blick auf seine Sterblichkeit, auf sein Leben. Er kostet die Zeit aus, macht verrückte Dinge, genießt das Leben und fährt ans Meer, den Ort der Sehnsüchte und Wünsche. Am besten heute noch - morgen könnte es schon zu spät sein.

Artikel vom 25.11.2006