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Mancher Kühlschrank bliebe sonst leer

»Elsener Tafel« versorgt seit einem Jahr Bedürftige mit Essen - 14 Helfer engagieren sich

Von Jens Twiehaus
Elsen (WV). Mit scheuem Blick greift Galina Gidion nach der Lebensmittel-Tüte und fragt: »Darf ich wirklichÉ?« Wie 118 andere Menschen wird auch die 42-Jährige von der Elsener Tafel mit Essen versorgt - ihre Familie schlägt sich mit Hartz IV durch.

»Wenn es die Tafel nicht gäbe, müsste ich Abstriche bei meinen Kindern machen«, sagt Galina Gidion. Vor zwei Jahren ist sie aus Sibirien nach Elsen gekommen - ihre Familie stammt ursprünglich aus Deutschland. »Meine Verwandten kamen als Aussiedler, bei mir ging das nicht mehr«, erzählt die freundliche Frau, die nur die russische Staatsbürgerschaft hat.
»Ich würde so gerne arbeiten«, sagt sie. Aber ohne Arbeit gibtĂ•s auch keinen deutschen Pass. Und ohne Pass auch oft keinen Job - ein Teufelskreis. Eine Rückkehr nach Sibirien kommt nicht infrage, »da arbeitet man im Sommer nur für die Heizkosten im Winter, wenn es minus 40 Grad kalt ist«.
Galina Gidion holt seit einem Jahr Essen bei der Elsener Tafel - für ihre beiden Kinder und den Mann. »Sehr zufrieden«, sei sie über zwei volle Einkaufstüten, die sie für einen symbolischen Betrag von zwei Euro bekommt. Man sieht es den Kunden der Tafel nicht sofort an, aber sie sind arm. Um an Essen zu kommen, müssen sie eine Bescheinigung vom Sozialamt vorlegen. Und dann die Scham überwinden, Spenden von fremden Menschen anzunehmen.
Für Galina Gidion ist das schon zum Alltag geworden. Andere Kunden werden immer noch rot, wenn sie sich zur Abholung melden. Die Enttäuschung über ihre persönliche Lage steht vielen ins Gesicht geschrieben.
Die Tafel in Elsen ist ein Ableger der Paderborner Tafel, denn Armut gibt es nicht nur in der Stadt, sondern auch in Elsen. Mittlerweile kommen so viele, dass kaum noch Neuanmeldungen möglich sind. Die Tafel ist angewiesen auf die Mitarbeit Ehrenamtlicher und auf Spender. Supermärkte geben Reste ab, Privatleute Geld oder Sachspenden.
Galina Gidion macht sich den Weg. Von der Ausgabe im Dionysius-Haus, die immer freitags stattfindet, ist es nicht weit zur Wohnung. Dort, wo ihr Mann sitzt, der seit einer schweren Krankheit keinen Job findet.

Artikel vom 27.11.2006