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Königsgräber
im syrischen
Qatna entdeckt

Archäologin aus Borgentreich

Von Ralf Benner
Borgentreich (WB). Eine Archäologin aus Borgentreich hat in Syrien die sagenumwobenen »Schätze von Qatna« entdeckt. »Diese Funde haben weltweit großes Aufsehen erregt«, sagt Heike Dohmann-Pfälzner.

Das Archäologen-Team des Altorientalischen Seminars der Universität Tübingen, dessen Grabungen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt werden, machte 2002 überraschend einen sensationellen Fund: die Kanzlei der Könige und die königliche Grabanlage in der altsyrischen Metropole Qatna. »Es ist das erste ungeplünderte Königsgrab der Könige Altsyriens, die zeitgleich zu den ägyptischen Pharaonen und den Herrschern Assyriens und Babyloniens große Teile des Alten Vorderen Orients beherrschten«, erläutert die 43-jährige Forscherin.
Ihr Mann, Professor Dr. Peter Pfälzner (46), den sie bei anderen Ausgrabungen in Syrien kennen und lieben lernte, leitet seit sieben Jahren die Grabungen in Qatna. »Dabei hat meine Frau eigentlich den interessanteren Job: Sie darf graben, während ich mich um die Verwaltung und organisatorische Dinge kümmern muss«, erzählt der Archäologe mit einem Schmunzeln. Die Leidenschaft für Geschichte und Archäologie sei ihr von Rudolf Bialas vermittelt worden, der sie früher am Gymnasium Marianum unterrichtet habe, erinnert sich Heike Dohmann-Pfälzner, die später in Berlin studierte.
Eigentlich war das 55-köpfige Tübinger Archäologenteam in Syrien mit der Ausgrabung eines Palastes aus der Bronzezeit beschäftigt. Dieser stammt aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend und gehörte den Königen von Qatna. Die Anlage war bereits siebzig Jahre vorher von einem französischen Forscher entdeckt und ausgegraben worden.
Daher hatten die Tübinger Archäologen mit keiner allzu wertvollen Entdeckung gerechnet. »Umso größer war die Überraschung, als wir auf die königliche Kanzlei und die Grabanlage stießen«, berichtet die Borgentreicherin. Die »Schätze von Qatna« beinhalten Goldschmuck, Plaketten, Gewänder, die sterblichen Überreste von 15 Angehörigen der Königsfamilie von Qatna sowie ein Archiv mit 63 Keilschrifttafeln. Die Texte stammen aus der Zeit um 1400 vor Christus und berichten unter anderem detailliert über die politische Situation des Vorderen Orients am Beginn der Späten Bronzezeit.
»Annähernd 2000 Fundstücke mussten restauriert, fotografiert, analysiert und ausgewertet werden«, erzählt die Archäologin, die sich selbst als »Vergangenheits-Detektivin« bezeichnet. Archäologie sei eine Puzzlearbeit, sagt sie. Es interessiere sie daran besonders, wie die Menschen vor Jahrtausenden mit der Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, umgegangen seien, so Heike Dohmann-Pfälzner. Daraus ließen sich auch wertvolle Rückschlüsse auf unsere heutige Zeit ziehen.
Ausgewertet werden die Forschungsergebnisse zurzeit in Tübingen und Damaskus, in den Sommermonaten gehen die Ausgrabungen in Qatna weiter. Die vier Kinder des Archäologen-Ehepaares - Florian (18), Laura (16), Nene (10) und Yacouba (7) - begleiten ihre Eltern auf der Forschungsreise und helfen sogar bei den Arbeiten im Ruinenfeld mit.
Keine leichte Aufgabe für eine Frau, sich als Führungskraft in der arabischen Männerwelt durchzusetzen, doch die Borgentreicherin meistert sie seit Jahren. »Man muss den Menschen mit Respekt begegnen, dann klappt's«, berichtet sie. Die arabische Sprache, die sie sich in der Praxis vor Ort selbst beibrachte, beherrscht sie mittlerweile fließend.
Anfang November dieses Jahres wurde eine Ausstellung über die archäologischen Entdeckungen in der altsyrischen Königsstadt in Damaskus feierlich eröffnet. Diese Schau wurde unter der Leitung von Heike Dohmann-Pfälzner konzipiert und aufgebaut und stieß weltweit auf sehr großes Interesse. Die 43-Jährige ist sich sicher, dass in Zukunft noch mit weiteren sensationellen Entdeckungen in Qatna zu rechnen ist.

Artikel vom 25.11.2006