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Gut gewürzte Wahrheiten für Chefs

135 Gäste beim Unternehmertag - Altabt Stephan Schröer erhält viel Beifall

Von Bernd Steinbacher (Text) und Monika Schönfeld (Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Manch nachdenklicher Blick ließ sich gestern Abend beim 7. Unternehmertag im Rathaussaal entdecken. Das lag nicht an Bürgermeister Hubert Erichlandwehr. Er konnte sehr gute Zahlen für die Stadt vorlegen. Es gibt keine Neuverschuldung. Die Zahl der Arbeitslosen geht zurück. Die Gewerbesteuereinnahmen für 2007 werden wohl um 20 Prozent höher liegen als erwartet, ein Zeichen dafür, dass es den Unternehmen gut geht.

Und viele Unternehmer bestätigten das gestern auch, gute Auftragslage, viel zu tun, gutes Messegeschäft, gute Aussichten, mehr Umsatz, um nur einige Stichworte zu nennen. Zufriedenheit auch auf Stadtverwaltungsseite: »Der Unternehmertag erfreut sich einer kontinuierlich wachsenden Beliebtheit«, sagt Wirtschaftsförderer und Bauverwaltungsamtsleiter Werner Thorwesten. In diesem Jahr waren 135 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung gekommen.
Die nachdenklichen Blicke waren dem Redner des Tages gewidmet. Der Abt der Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede, Stephan Schröer, hielt einen Vortrag »Führung - Kritische Anmerkungen eines Mönchs«. Falsch - er hielt ihn nicht. Er erfüllte das Thema mit Leben, schaffte es, die Regeln Benedikts in die heutige Zeit zu übertragen und würzte das Ganze mit Ironie und Humor. Manch Zuhörer war erstaunt, dass ab und an ein kräftiger Ausspruch fiel: »Chefs sind auch arme Schweine. Ich habe das 25 Jahre gemacht.«
»Keine Zeit zu haben ist eine Lüge«, führte der 67-jährige Diplom-Kaufmann, Banker, Diplom-Theologe, Lehrer und Abt aus. »Bei guter Lebenserwartung hat jeder über 30 000 Tage Zeit.« Zeit sei eine Chance, aber auch eine Bedrohung, der Tod komme. Christsein bedeute für ihn das Heute zu leben, ganz wach zu sein, dieses Heute genau zu bedenken.
Zeitlos gültige Grundregeln, aufgestellt von Benedikt, gelte es in die heutige Zeit umzusetzen. Sieben Stunden Schlaf, sieben Stunden Arbeit, »grob die Gewerkschaftsforderung« (Gelächter), drei Stunden Gebet und drei Stunden Lesung - »Banker werden gleich feststellen, dass noch Stunden fehlen« - und Zeit zum Essen gehörten zum Tagesablauf. Der Altabt spricht von »Kultur der Mahlzeiten« mit anschließender Erholung und fordert die Zuhörer auf, sich selbst zu überprüfen. »Drei Stunden Gebet«, darin sieht er für Führungskräfte Motivationsarbeit, jeder müsse sich nach seinen Motiven fragen, drei Stunden Lesung bedeuteten Muße, Hobby, mal ein Buch lesen.
Keine Zeit zu haben, bringe oft Stress und Krankheiten, in der Arbeitswelt kämen unter anderem Versagensangst, Frustration und Erschöpfung hinzu. Gegen die »Kultur der Wehleidigkeit und des Klagens« hält er die Regeln Benedikts vom Aufbruch und gutem Eifer dagegen. Dieser erkläre keine Führungstechniken, sondern setze auf die Persönlichkeit zum Führen. »Führung ist Dienst, eine Verneigung vor der Würde des Anderen.« Führen solle man durch Beispiel, nicht durch viele Worte, mit Gespür für den rechten Augenblick, mit dem »entschlossenen Ernst des Meisters und der Güte des Vaters. Fachkompetenz und menschliche Reife zeichnen Führungskräfte aus«, übersetzt er in moderne Vokabeln. Eigenarten der Mitarbeiter seien zu beachten, Stärken und Schwächen zu sehen.
Grausame Wirklichkeit hingegen sei es, dass es viele Menschen gibt, die nur groß sind, indem sie andere klein machen. Man müsse sich selbst realistisch sehen und dürfe bei aller Kritik an Fehlern nicht verletzend werden.
Er wolle keine Predigt halten, der Predigtschlaf sei ihn aus dem Sauerland gut bekannt. Er gab den Zuhörern lieber ein paar Fragen mit auf den Weg: Habe ich meinen Alltag kritisch im Blick, betreibe ich eine Flucht in Arbeit, habe ich Zeit für Stille, Gebet, Familie und Mitarbeiter?
Er hoffe, dass alle aufbrechen in einen guten Alltag mit den Menschen und ihren Weg gehen »als realistische Träumer«. Das Wichtigste komme ohnehin nach dem Vortrag, Kontakte pflegen bei gemeinsamen Gesprächen - doch das hat beim Unternehmertag ohnehin schon eine gute Tradition.

Artikel vom 24.11.2006