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»Das Gespenst« - nur
wenige überleben . . .

Ein Postkartenkrimi spielt im Mafia-Milieu


Von Jürgen Siegmann
Jeder in Neapel hatte schon einmal von »Il Fantasma«, dem Gespenst, gehört. Dem sagenumwobenen Auftragskiller der Camorra. Doch nur die Allerwenigsten hatten ihn je zu Gesicht bekommen. Und von denen hatten nur sehr wenige diese Begegnung überlebt.
Und es gab nicht einmal eine Handvoll Leute in der Stadt, die wussten, dass »Il Fantasma« mit bürgerlichem Namen Antonio Vialli hieß.
Antonio ging durch die Gassen der Altstadt, den Kragen zum Schutz gegen den Nieselregen hochgeklappt und die Hände tief in den Taschen seines Mantels versenkt. Niemand schenkte ihm Beachtung.
Er sah sich kurz um, dann verschwand er durch eine Tür in ein düsteres Treppenhaus. Die Glühbirne war kaputt, und er schwebte geräuschlos und fast unsichtbar die Treppen hinauf in den dritten Stock. Das Gespenst.
Seine Hand glitt zu der Türklinke. Geräuschlos schwang die Tür auf und er trat in den Flur. Der köstliche Geruch von frischer Pasta schlug ihm entgegen. Seine Hand beförderte einen großen Revolver mit Schalldämpfer hervor.
»Du bist spät dran«, rief eine Frauenstimme aus der Küche. »Die Arbeit, Mama, die Arbeit«, rief er zurück und legte die Waffe auf die Flurgarderobe. »Ich wasch' mir nur noch schnell die Hände, dann komm ich.«
Ein Glück, dass niemand wusste, dass »Il Fantasma« mit 35 Jahren noch bei seiner Mama wohnte. Das wäre nicht gut für seinen Ruf gewesen.

Artikel vom 22.11.2006