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Stadtwerke
jetzt alleiniger
Stromverteiler

Netz von der E.ON übernommen

Von Ulrich Schlottmann
Warburg (WB). Der Strom kommt zwar weiterhin aus der Steckdose, aber Bürgermeister Michael Stickeln sprach dennoch von einem »historischen Tag«. Immerhin hatten die beiden Stadtwerke-Geschäftsführer Engelbert Berendes und Karl-Heinz Fleischhacker gestern eine nicht alltägliche Vertragsunterschrift geleistet, denn zum 1. Januar 2007 übernehmen die Stadtwerke das Stromnetz von der E.ON Mitte und damit die Stromversorgung in der gesamten Stadt Warburg.

Bislang werden die Haushalte in den Stadtteilen Bonenburg, Calenberg, Dalheim, Daseburg, Dössel, Herlinghausen, Hohenwepel, Menne, Nörde, Ossendorf, Scherfede und Welda von der E.ON Mitte (früher EAM) mit Strom versorgt, die Kernstadt und die anderen Ortsteile von den Stadtwerken. Vom kommenden Jahr an ist die Gesamtstadt ein einheitliches Versorgungsgebiet. Allerdings: Wer Kunde der E.ON Mitte ist, der bleibt es auch, wenn er nicht kündigt und zu den Stadtwerken - oder einem anderen Anbieter - wechselt.
Der gestern zwischen den Stadtwerken und der E.ON Mitte geschlossene Vertrag beinhaltet den Übergang des gesamten Stromversorgungs- und Straßenbeleuchtungsnetzes sowie der Schalt- und Trafostationen auf das Stadtunternehmen. Die Stadtwerke zahlen dafür sieben Millionen Euro an den Stromkonzern. Diese Summe ist allerdings noch mit einem Vorbehalt versehen. »Es könnte sein, dass die Regulierungsbehörde einen niedrigeren Betrag ansetzt, verwies Engelbert Berendes auf nach wie vor strittige Bewertungs- und Abschreibungsfragen.
Um die Versorgung auch technisch übernehmen zu können, müssen die Stadtwerke zusätzlich rund eine Million Euro investieren, und zwar unter anderem für den Neubau einer 4,8 Kilometer langen Mittelspannungsleitung vom Umspannwerk Ossendorf nach Rimbeck sowie einer Schaltstation in Daseburg.
Ziel der Netzübernahme sei es, so die beiden Stadtwerke-Geschäftsführer, gleiche Bedingungen für alle Bürger in Warburg herzustellen. Zudem wolle die Stadt selbst bestimmen, wo in das Netz investiert wird. So sei ein Ziel, die Versorgungssicherheit im bisherigen E.ON-Gebiet zu verbessern. Zudem erhoffe sich die Kommune, stärkeren Einfluss auf die Preisbildung nehmen zu können. So sei E.ON nur für 2007 noch garantierter Vorlieferant, danach werde - möglicherweise im Verbund mit weiteren Stadtwerken - auf dem freien Markt Strom eingekauft - »zu hoffentlich günstigeren Konditionen«, so Berendes.
Weitere Absicht der Netzübernahme sei die Stärkung der heimischen Wirtschaft, weil Aufträge verstärkt an örtliche Firmen gegeben werden könnten. Weiteres Kriterium sei, die Gewinnsituation der Stadtwerke zu verbessern, um Defizite beim Frei- und Hallenbad, beim Kurmittelhaus Germete, beim Fremdenverkehr und bei der Oktoberwoche aus dem Gewinn decken zu können.
Wie sich die Erlössituation der Stadtwerke durch die Netzübernahme verbessert, ist allerdings noch offen. »Die Übernahme rechnet sich auch, wenn kein E.ON-Kunde zu uns wechselt«, ist Engelbert Berendes überzeugt. Aber das genaue Gegenteil erhoffen sich die Stadt- und Stadtwerkevertreter natürlich. So ruft Bürgermeister Michael Stickeln alle Bürger und Unternehmen aus dem bisherigen Versorgungsgebiet der E.ON dazu auf, »Kunde bei den Stadtwerken, ihrem eigenen Unternehmen, zu werden«. Sie würden dabei von kurzen Wegen und direkten Ansprechpartnern profitieren und zugleich die Handlungsfähigkeit der Stadtwerke auch in anderen Bereichen stärken.
Gleichwohl erwarten die Stadtwerke-Geschäftsführer keinen Wechsel-Boom, weil viele Kunden vertraglich mittelfristig gebunden sind. »Das wird eher ein schleichender Prozess sein«, meint Engelbert Berendes. Letztlich werde der Preis entscheiden, bei dem es derzeit nur einen ganz geringen Unterschied gibt. Wie die Preisgestaltung bei E.ON und den Stadtwerken im kommenden Jahr aussieht, ist nach den Worten von Karl-Heinz Fleischhacker wegen ausstehender Genehmigungen noch offen. Da E.ON aber zunächst weiter Vorlieferant bleibe, werde es wohl keine allzu großen Differenzen geben.

Artikel vom 22.11.2006