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Amokläufer in die Psychiatrie eingewiesen

Nach Axtattacke im Praktiker-Markt

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Es kann überall passieren und jeden treffen. In einem Anfall von Wahnsinn ging ein bis dahin völlig unauffälliger Mann in einem Paderborner Baumarkt mit einer Axt auf Kunden los. Zwei Menschen wurden schwer verletzt. Gestern wies das Paderborner Schwurgericht den Täter in die geschlossene Psychiatrie ein.

Schon mit vier Jahren beherrscht Jens W. das kleine Einmaleins, mit elf stuft ein Psychiater ihn als hochbegabt ein - Intelligenzquotient von 150. Nur Freunde hat er nie gehabt, die Schule war für ihn ein Horror. »Die anderen Kinder haben mit Steinen nach mir geworfen und mich in die Mülltonne gesteckt«, berichtet er im Prozess. Jens W. bleibt sein Leben lang ein zurückgezogener Einzelgänger. Den Realschulabschluss schafft er mit Ach und Krach. Zwei Versuche, eine Ausbildung zu machen, bricht er jedes Mal nach nur einem Tag wieder ab. »Ich war gehemmt und unsicher, hatte Angst vor der Berufsschule.« Im stillen Kämmerlein seines behüteten Elternhauses besiegt der 34-Jährige den Schachcomputer, ganze Tage verbringt er in der Universitäts-Bibliothek, liest wissenschaftliche Bücher über Physik und Astronomie.
Auch an jenem verhängnisvollen 29. Juni ist er wieder auf dem Weg zur Uni. »Da habe ich mich plötzlich von allen Menschen bedroht gefühlt, ich bin nur noch voller Angst durch die Gegend geirrt«, erzählt der Täter unter Tränen. Was dann wirklich geschieht, daran hat er nur noch unscharfe Erinnerungen. Er geht ziellos in den Praktiker-Markt am Frankfurter Weg, nimmt eine 1,25 Kilo schwere Axt mit 1,25 Meter langem Stiel aus dem Regal - »zur Verteidigung«. In der Gartenabteilung schlägt der Amokläufer dem 74-jährigen Max S. die scharfe Seite von hinten auf den Kopf und ein zweites Mal in den Rücken. Nur mit viel Glück überlebt der Rentner aus Lichtenau. Dann trifft J. auf Bianca S. (28). Erneut schlägt er zweimal zu - sie erleidet eine Armfraktur -, bevor beherzte Kunden den Attentäter festhalten. Er leistet keinen Widerstand.
Eine vernünftige Erklärung kann Jens W. nicht liefern. »So etwas entwickelt sich oft schleichend, bevor es eskaliert«, erklärt der Psychiater. Sein Mandant sei weder ein Monster, noch ein Krimineller, betont Verteidiger Franz Zacharias. »Er ist ein kranker Mensch, der Hilfe braucht.«
Rein rechtlich und objektiv betrachtet, so Richter Bernd Emminghaus, handle es sich um einen heimtückischen Mordversuch. Aber aufgrund einer schizophrenen Psychose sei der Beschuldigte schuldunfähig.

Artikel vom 22.11.2006