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Vereins-Zoff Fall für den Staatsanwalt

Heinz J. Bökamp und Hans-Peter Tennagel erheben gegenseitige schwere Vorwürfe

Von Hubertus Hartmann
und Jürgen Spies
Mantinghausen / Ostenland (WV). »Herr Professor bitte - so viel Zeit muss sein.« Mit diesen Worten soll Hans Peter Tennagel unlängst einen Versammlungsteilnehmer bei der ALA angeraunzt haben. Jetzt steht der 59-jährige Soziologe und Buchautor aus Mantinghausen im Zwielicht.

Die Staatsanwaltschaft Paderborn verdächtigt ihn des Betruges und Titelmissbrauchs. Tennagel selbst weist die Vorwürfe zurück.
Hans Peter Tennagel ist ein umtriebiger Zeitgenosse. Die Industrie- und Handelskammer (HK) Bielefeld hat ihn zum Mediator bestellt. In seinem Verlag namens »telos« gibt er wissenschaftliche Bücher heraus. Er selbst veröffentlichte unter anderem 1996 ein Werk über »Kompetenzen zum Führen von Menschen in Unternehmen«. In seiner Biografie reklamiert Tennagel für sich die »Wissenschaftliche Leitung der Institute für Sport, Freizeit und Lernen und für Weiterbildung«.
Auch sein ehrenamtliches Engagement ist beachtenswert. Gerade erst hat ihn die Arbeitsgruppe Landschaftspflege und Artenschutz e.V. (ALA) - sie betreibt die Biologische Station Senne in Ostenland - mit 15:13 Stimmen zum neuen Vorsitzenden gekürt. In seinem Wohnort Mantinghausen gehörte Hans Peter Tennagel 1991 zu den Gründungsmitgliedern des Umwelt-, Natur- und Kulturvereins »pro Mantinghausen«. Zuletzt war er dessen Geschäftsführer und zweiter Vorsitzender.
Doch im Verein gibt es inzwischen massiven Ärger. Vorsitzender Heinz J. Bökamp hat gegen seinen »Vize« Strafanzeige erstattet. Tennagel soll sich im Namen des Vereins persönlich bereichert und vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) rund 3500 Euro erschwindelt haben. LWL-Sprecher Frank Tafertshover bestätigt, dass in den Jahren 1997 bis '99 Zahlungen erfolgt sind, deren Rechtmäßigkeit jetzt überprüft werde. »Das ist hinter meinem Rücken geschehen«, sagt Vereinsvorsitzender Bökamp, »in mindestens 17 Fällen hat Herr Tennagel meine Unterschrift gefälscht«. Der LWL fordere jetzt die Fördergelder zurück. »Der Gesamtbetrag ist größer als unser Kassenbestand. Ich bin deshalb gezwungen, Vereinsinsolvenz anzumelden«, verkündet Bökamp das Aus für »pro Mantinghausen«.
Tennagel und andere Mitglieder hatten nach Streitigkeiten mit ihrem Vorsitzenden bereits am 22. Februar dieses Jahres die Vereinsauflösung beschlossen. Dagegen legte Bökamp beim Amtsgericht Paderborn Widerspruch ein.
Tennagel hatte als Organisator und Betreuer von internationalen Jugendbegegnungen Verdienstausfall geltend gemacht. Er war damals im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Mitarbeiter des Westfälischen Umwelt-Zentrums (WUZ) an der Universität Paderborn. Das Arbeitsverhältnis endete am 16. Juni 1998. Möglicherweise hat sich Tennagel auch dort strafbar gemacht. In einer Erklärung des WUZ, die dieser Zeitung in Kopie vorliegt, schreibt Prof. Dr.-Ing. Jürgen Voß wörtlich: »...dass wir von gefälschten Unterschriften sowohl für die ausgestellten Bescheinigungen während seiner Betriebszugehörigkeit als auch für diejenigen nach seinem Ausscheiden ausgehen«. Im gesamten Zeitraum seiner Beschäftigung seien vom WUZ »keinerlei Berechnungen für Verdienstausfälle vorgenommen« worden. Die Staatsanwaltschaft hat vergangene Woche Tennagels Haus durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Tennagel soll nicht nur betrogen haben, sondern auch seinen Titel »Prof. Dr. rer. soc.« nicht ordnungsgemäß führen. Oberstaatsanwalt Horst Rürup: »Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand darf er den Professoren-Titel nur mit dem Zusatz a.o. führen.«
Die beiden kleinen Buchstaben »a.o.« stehen für »außerordentlich«, tauchen in Tennagels Briefköpfen und Veröffentlichungen offenbar aber nur selten auf. In seiner Biografie erfährt der Leser indes sehr wohl: »1993 Habilitation und a.o. Professur für Allgemeine Soziologie (Organisation, Jugend- und Sozialpolitik) in St. Gallen/Schweiz«. »Ich habe an der Universität St. Gallen studiert und an der Karls-Universität Prag promoviert«, erklärte Tennagel im Gespräch mit dem WV.
In St. Gallen ist der Professor aus Mantinghausen jedoch nicht bekannt. Uni-Sprecherin Sylvia Obertüfer-Heiber forschte auf Anfrage Bökamps im Schweizer Staatsarchiv nach und stellte fest: »Die Antwort aus dem Staatsarchiv ist negativ. Ein Herr Hans Peter Tennagel, geboren am 20.7.1947, hat demnach nicht an der Universität St. Gallen HSG studiert.«
Tennagel spricht von einem »Redaktionsversehen«. Umgangssprachlich sei der Zusatz »a.o.« ohnehin nicht gebräuchlich. »In jedem offiziellen Schreiben verwende ich ihn.«
Der Paderborner Rechtsanwalt Walter Schäfers, der den Verein »pro Mantinghausen« vertritt, nennt das Ganze ein »Stück aus dem Tollhaus«.
Prof. Hans Peter Tennagel wird inzwischen von dem Lippstädter Rechtsanwalt Olav Freund vertreten. Die Hausdurchsuchung sei offenbar allein auf Grundlage der Strafanzeige erfolgt und fragwürdig. »Die Betrugsvorwürfe sind auf den ersten Blick verjährt, und für den angeblichen Titelmissbrauch gibt es kein einziges Beweisstück«, sagt Freund. Ob die Forderungen des Landschaftsverbandes berechtigt seien, müsse bezweifelt werden.
»Ich habe nie eine Unterschrift gefälscht«, versichert Tennagel selbst. Er will Heinz Bökamp jetzt wegen Verleumdung anzeigen und zudem eine strafbewehrte Unterlassung der von ihm verbreiteten Vorwürfe verlangen.

Artikel vom 22.11.2006