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Martinsschule will Ganztag
als neue Lern-Möglichkeit

Drei bis fünf Jahre Vorlaufzeit sind notwendig

Espelkamp (ni). Die Einführung des gebundenen Ganztagsunterrichts war einer der Schwerpunkte des Berichtes von Margit Schwarz-Eggeling, Leiterin der Martinsschule in Espelkamp. »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg zur Ganztagsschule«, erklärte sie.

Am erfundenen Beispiel eines Schülers erläuterte sie die besondere Problematik an der Förderschule mit Schwerpunkt Lernen. »Es fehlt den Kindern an Aufmerksamkeit. Außerdem nimmt die Verwahrlosung stetig zu. Verspätungen, Unruhe und zunehmend sozial unerwünschtes Verhalten sind die Folge«, beschrieb die Schulleiterin.
Mit dem so genannten Trainingsraumkonzept versuchten die Pädagogen, ein Therapiekonzept für die Kinder mit derartigen Auffälligkeiten aufzustellen, das diesen Verhaltensweisen begegnen wolle. »Das klappt nicht immer, aber wir versuchen, eine Weiterentwicklung dieser Schüler zu ermöglichen«, meinte Schwarz-Eggeling.
In der Lehrerschaft seien inzwischen die Arbeitskreise »Unterricht im Team«, »Schule und Beruf« sowie Ganztagsschule« ins Leben gerufen worden.
»Das Risiko für Verwahrlosung und Auffälligkeiten wächst«, stellte die Pädagogin fest. Ursachen seien zunehmend in Armut, Angst vor Armut, Migration sowie Chancen- und Perspektivlosigkeit zu sehen, meinte sie. Auch sehe sie eine Gefahr im Wegfall der Benotungen für die Schüler der Förderschulen: »Dadurch sind sie nicht mehr vergleichbar mit anderen Schulsystemen zu beurteilen. Die Durchlässigkeit der Schulsysteme könnte darunter leiden.«
Lösungen sieht die Schulleiterin nur über gute Erziehung: »Das erfordert Liebe, Wissen, Zeit und Geld.« In der Konsequenz intensiviere die Schule die Elternarbeit und starte ein Tutorenprogramm. »Die Versorgung mit Mahlzeiten wird immer wichtiger«, betonte Schwarz-Eggeling. »Gesunde und regelmäßige Ernährung ist wichtig für die Schüler.«
Die Halbtagsschule sei hier mit ihren Möglichkeiten am Ende, sprach sich Schwarz-Eggeling für ein Ganztagskonzept aus. Beim »gebundenen Ganztag« werde der normale Unterricht über den Tag »gestreckt« und somit entzerrt. Das habe allerdings auch Folgen für die Lehrerschaft, deren Stundenzahl zwar gleich bleibe, deren Anwesenheitszeit in der Schule sich jedoch verlängern würde.
»Einige Kollegen haben bereits Ganztagserfahrung. Bei anderen regt sich auch Widerstand«, beschrieb die Schulleiterin das derzeitige Meinungsbild im Kollegium. Zwar habe sich die Schulkonferenz nach einem Meinungsbildungsprozess, der nur drei Tage gedauert habe, einstimmig für die Schule von 8.30 bis 15.30 Uhr ausgesprochen. Eine Realisierung brauche aber bestimmt noch drei bis fünf Jahre.
Der »Ganztag« sei eine Möglichkeit für die Schule, den Schülern weitere Sozialkompetenzen zu vermitteln. Schwarz-Eggeling machte deutlich: »Bruchrechnen ist für manche Schüler nicht wichtig für ihr Leben. Sie müssen erst lernen, sich selber zu organisieren und lebensfähig zu werden.«
Details, wie Personalergänzung und die Frage der Art der Verpflegung (mit eigener Küche oder über Fremd-Versorger), müssten noch geklärt werden.
Die Mitglieder der Verbandsversammlung hatten keinen Beschluss zu fassen. Bürgermeister Heinrich Vieker befürwortete jedoch, dass die Versammlung sich dafür aussprechen solle, die Aktivitäten der Martinsschule zu »begrüßen und zu unterstützen«.

Artikel vom 22.11.2006