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»Konkurrenz für teure Tankstellen-Shops«

Freigegebene Ladenöffnungszeiten stoßen bei Versmolder Bürgern auf gemischte Gefühle

Von Marco Purkhart
Versmold (WB). Ladenschluss um 20 Uhr, das war gestern. Von heute an sind die Öffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen freigegeben. Auch in Versmold dürfen Geschäftsleute theoretisch rund um die Uhr verkaufen. Doch was halten heimische Bürger von der neuen Shopping-Freiheit?

Der VERSMOLDER ANZEIGER hörte sich unter Passanten um. Detlev Wulfekühler (52) steht mit seiner getönten Brille vorm Optiker. Er hat offensichtlich ein Faible für ausgefallene Sehhilfen. Aber er würde nie auf die Idee kommen, sich nachts ein Gestell zu kaufen. »Wer geht denn so spät noch einkaufen? Gerade hier in Versmold wäre das doch Unsinn. Wir sind eine Arbeiterstadt, die Leute müssen früh morgens raus«, habe ihn längst eine TV-Reportage desillusioniert, wonach selbst beim ersten Testlauf in Berlin nachts kaum jemand eingekauft habe.
Die kleine Laura Schmidt fände es hingegen spannend, einmal nach Mitternacht mit Mama und Papa einkaufen zu gehen. Aber schnell wird der Achtjährigen auch die Kehrseite der Medaille klar: »Die Leute hinter der Kasse finden es bestimmt blöd, so lange arbeiten zu müssen.«
Diese Einschätzung kann Larissa Singer nur teilen. Die 38-Jährige arbeitet als Verkäuferin in einem Textilgeschäft und hält gar nichts davon, unter der Woche länger als bis 20 Uhr zu öffnen. »Am Wochenende würde es allerdings Sinn machen, denn da haben die Leute mehr Zeit und Lust. Hier und da ein Mitternachtsshopping am Samstag - das würde sicherlich prima angenommen. Aber man darf solche Events auch nicht verheizen, sie müssen weiterhin etwas Besonderes bleiben.«
Für eine dauerhaft verlängerte Öffnungszeit hat Lena Hülsmeyer einen Vorschlag: »Die teuren Tankstellen-Shops sollten etwas Konkurrenz bekommen«, spricht die 18-Jährige für ihre Generation. Denn gerade jüngeren Leute nutzen das Angebot der Tankstellen, zum Beispiel um am Wochenende Getränke einzukaufen. »Ein Coffee- oder 24-Stunden-Shop wie in größeren Städten, der Nahrungsmittel und andere Verpflegung verkauft, würde auch Versmold gut zu Gesicht stehen.«
Reinhard Brüwer hingegen hat in seinen 67 Lebensjahren seine Besorgungen tagsüber erledigt. Dennoch spricht er sich für unbegrenzte Öffnungszeiten aus: »Die Geschäfte haben jetzt rechtlich die Legitimation, ein flexibles Angebot zu präsentieren. Das ist im Sinne der Marktwirtschaft.«
Ob ein heimischer Händler tatsächlich bereits heute oder in den nächsten Tagen den neuen zeitlichen Spielraum nutzt, wagt Mario Haberkamp zu bezweifeln. Dem Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Einkaufsstadt Versmold (IGEV) liegen diesbezüglich keine Kenntnisse vor: »Niemand hat etwas angekündigt.« Erste Beratungen erwartet Haberkamp auf der IGEV-Hauptversammlung am morgigen Mittwoch.

Artikel vom 21.11.2006