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Patient schlägt
im Wahn zwei
Bettnachbarn

Zustand eines Opfers kritisch

Von Rainer Grotjohann
und Moritz Winde (Fotos)
Bünde (BZ). Dass Angetrunkene in der Unfallambulanz auf das Personal losgehen oder auf den Stationen verwirrte Patienten das Weite suchen wollen, ist zwar nicht Alltag, aber auch nichts Außergewöhnliches in Deutschlands Kliniken. Im Lukas-Krankenhaus hat aber jetzt ein Patient seine Bettnachbarn angegriffen. Eines seiner Opfer liegt im kritischen Zustand auf der Intensivstation, das zweite kam mit Schädelprellungen und einer Platzwunde am Kopf davon. Der Täter, ein 86-Jähriger, hatte urplötzlich und ohne jeden Grund mit einer Wasserflasche auf die in ihren Betten liegenden Männer eingeschlagen.

In der Nacht zu Donnerstag war der 86-jährige Schwerkranke als Notfall aufgenommen worden. Dr. Bernd Wedja, Chefarzt der Medizinischen Klinik, ließ ihn nach der Versorgung auf die Intensivstation bringen. Dort wurde er mehr als 36 Stunden neurologisch intensiv beobachtet. Als sich sein Allgemeinzustand besserte, wurde er am Sonntagvormittag auf die Station 2 A verlegt. Mit dem Bünder teilten sich ein 79-Jähriger und ein 65-Jähriger, beide erheblich pflegebedürftig, das Zimmer 209. Weder auf der Intensiv- noch auf der Normalstation sei der Patient in irgendeiner Weise auffällig gewesen. »Weder verwirrt, noch aggressiv«, versicherten bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz der Chefarzt und Pflegedirektorin Renate Letsch. Gegen 19.40 Uhr hatte das Pflegepersonal die drei Männer auf Zimmer 209 versorgt. Minuten später hörten zwei Krankenschwestern, die Patienten im Nachbarzimmer betreuten, Schreie und Hilferufe und liefen zurück ins Zimmer 209. Hier fanden sie die beiden Verletzten. Der 86-Jährige versuchte, auch die Schwestern mit der Wasserflasche zu schlagen. Sie konnten ihn überwältigen.
»Beide haben sehr sachgerecht, sehr umsichtig gehandelt und Schlimmeres verhindert«, sagte Vorstand Wolfgang Rediker. »Zum Glück waren sie im Nebenzimmer«, fügte die Pflegedirektorin hinzu. Beide Schwestern seien durch den Vorfall psychisch angeschlagen.
Die Verletzungen des 79-Jährigen sind schwer wiegend. Ein Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg wurde hinzugezogen, ein Computertomogramm angefertigt. Der Mann wurde auf die Intensivstation verlegt, er soll kurzfristig operiert werden. Sein Zustand sei »nicht lebensbedrohend, aber kritisch«, sagte der Chefarzt. Während es dem 65-Jährigen bereits wieder besser geht, hat sich der Zustand des 86-Jährigen verschlechtert. Auch er wird auf der Intensivstation behandelt.
Der Anlass für die »psychische Entgleisung« des alten Mannes ist nicht endgültig geklärt. Der Chefarzt geht davon aus, dass das so genannte Delir/Durchgangssyndrom die Ursache sei. Begleitend zur schweren Erkrankung des Patienten habe es möglicherweise zu Wahnvorstellungen geführt. Der Patient soll sich plötzlich in seine Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg zurückversetzt gefühlt haben. Er sah sich bedroht und ging auf seine Bettnachbarn los.
Vorhersehbar sei dieses aggressive Verhalten nicht gewesen, betonten die Krankenhaus-Verantwortlichen. Auch nach Aussage des Hausarztes und der Familie habe es niemals derartige Vorfälle gegeben. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, die Aufnahme eines Strafverfahrens scheint jedoch eher unwahrscheinlich.

Artikel vom 21.11.2006