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Grytzmann interpretiert Bertolt Brecht

Freie Kulturinitiative hatte bemerkenswerte Schauspielerin eingeladen


Höxter (WB). Am 14. August 1956 starb Bertolt Brecht 58-jährig in Berlin. Grund genug, einem der größten deutschen Dichter des 20igsten Jahrhunderts, einen Abend mit Songs, Texten und Gedichten zu widmen.
Die Freie Kulturinitiative Höxter hatte die Schauspielerin und Diseuse Almut Grytzmann mit ihrem literarisch/musikalischen Programm »Wie man sich bettet so liegt man« eingeladen.. Seit mehr als 20 Jahren gastiert die als klassische Tänzerin und Schauspielerin ausgebildete Künstlerin an vielen deutschen Bühnen mit ihren musikalischen oder kabarettistischen Soloprogrammen, mit Lesungen und Theatergastspielen. Auch in Höxter war sie schon mehrmals und jetzt kam sie also mit einem Brecht-Programm.
Almut Grytzmann setzte dabei ganz auf Bekanntes und Vertrautes, denn fast alle populären Brecht-Songs vom »Surabaya Johnny«, über den »Bilbao-Song« bis hin zur »Seeräuber-Jenny« zelebrierte Almut Grytzmann im Historischen Rathaus. Insofern stellte das Programm nur eine sehr schmale »Facette« aus dem reichen Schaffen des Dichters dar, schade, weil gerade auch die unbekannteren Texte Brechts faszinierend sind. Eines der bekanntesten Gedichte Brechts ist der »Kinderkreuzzug«. Almut Grytzmann rezitierte diesen anrührenden Text sehr sachlich, fast wie einen Zeitungsbericht, ein subtiles Stilmittel, das den Zuhörer betroffen zurück ließ.
Eine gekonnte individuelle Darbietung der Brecht'schen Ohrwürmer ist nicht einfach, hat doch der Brechtkenner unweigerlich immer die großen Interpretinnen wie Helene Weigel, Therese Giehse, Lotte Lenja oder Gisela May vor Augen und Ohren.
Almut Grytzmann versuchte mit Erfolg jede Kopie zu vermeiden, und dem Publikum ihren »eigenen« Brecht zu vermitteln. Das gelang ihr mit großem Einfühlungsvermögen in die sozialkritischen Texte des Dichters, aber auch mit der nötigen Schnoddrigkeit wie etwa beim »Matrosensong«. Jedes Lied wurde markant dargeboten und bekam seinen unverwechselbaren Charakter.
Die differenzierte Beobachtungsgabe des Dichters in Bezug auf die menschlichen Unzulänglichkeiten und Abhängigkeiten arbeitete die Künstlerin differenziert heraus. Insbesondere die Absurdität und Schrecklichkeit des Krieges zeigte Almut Grytzmann in der »Legende vom toten Soldaten« und im »Lied vom Weib des Nazisoldaten« auf. Ein verlässlicher Partner war ihr dabei der polnische Pianist Gregor Pronobis, der fesselnd den Texten das musikalische Gewand von Kurt Weill oder Hanns Eisler verpasste. Ein gutes Team, indem Musik und Text sich optimal ergänzten.

Dagmar Korth

Artikel vom 20.11.2006