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Er tröstete die Schwester

Auf Spurensuche: warum musste Elisabeth Deniz sterben?

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). War es Eifersucht? Vielleicht Rache für eine verschmähte Liebe? Oder hat Daniel K. (23), der im Mordfall der Modeverkäuferin Elisabeth Deniz als Hauptverdächtiger gilt, einfach nur die Nerven verloren? Er schweigt beharrlich. Dabei hat ihn ein DNA-Abgleich längst überführt.

Was ist Daniel K. für ein Mensch? Warum hat er die 25-jährige Elisabeth Deniz auf so eine bestialische Art und Weise (40 Messerstiche in den Rücken und in den Hals) getötet? Fragen, die auch die Schwester des Opfers, Anne D., nur teilweise beantworten kann. In einem Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT versucht sie, Licht in das Dunkel dieser Tat zu bringen.
Gestern, 15.20 Uhr, Besprechungsraum der Anwaltskanzlei Kohlmeyer, Kottmann und Cetin in der Gütersloher Schalückstraße: Sie sitzt neben ihrem Rechtsanwalt Eliyo Cetin (35) und ist bei jedem Satz, den sie ausspricht, den Tränen nahe. »Nach der schrecklichen Bluttat meldete sich Daniel bei mir, tröstete mich und bot mir sogar seine Hilfe an. Dabei war er es, der Elisabeth eiskalt getötet hat«, sagt die 24-Jährige mit zitteriger Stimme und denkt dabei an ihre tote Schwester. »Wir waren nicht nur Geschwister, sondern auch richtige Freundinnen, haben uns immer alles gesagt, selbst unsere Probleme und Träume. Ich kann das alles einfach noch nicht fassen.«
Kennengelernt hätten sich Anne und Daniel K. während eines Praktikums im Juni 2005 in einem Gütersloher Lebensmittel-Großmarkt. »Er stand oft bei mir an der Kasse und hat versucht, mit mir zu reden. Er hat mir von seiner großen Liebe und seinem besten Freund berichtet, die beide angeblich verstorben sind. Ich bemerkte, dass er damit meine Aufmerksamkeit wecken wollte. Ich fühlte aber auch, dass er in mich verliebt war«, berichtet Anne D. und fügt hinzu, dass sie die »Annäherungsversuche« einfach ignoriert habe. Trotzdem sei man freundschaftlich verbunden geblieben, denn immerhin hätten sie acht Monate lang zusammen gearbeitet. Er habe aber nie mit ihr zusammen gewohnt. Manchmal habe er bei ihrer Freundin übernachtet, weil sie ängstlich gewesen sei. »Daniel hat sich stets angeboten und aufgedrängt, kleinere Arbeiten für mich zu erledigen. Wir haben uns sogar einige Male Abends getroffen. Weil er mir irgendwie leid tat. Aber ich hielt ihn auf Distanz.«
Irgendwann hat Daniel K. dann Elisabeth Deniz kennengelernt. Auch ihr soll er seine handwerkliche Hilfe angeboten haben. Es ging um eine kaputte Badezimmertür in ihrer kleinen, gemütlichen Wohnung an der Königstraße. Anne D.: »Insgesamt war ich vielleicht mit ihm dreimal für kurze Zeit bei Elisabeth. Das war eine flüchtige Bekanntschaft.«
Daniel sei ihr gegenüber niemals aggressiv gewesen, erinnert sie sich. »Ich habe ihn oft verletzt. Wir haben sehr viel gestritten. Dann hat er meist sein provozierendes Lächeln aufgesetzt. Dieses Lächeln hat mich zur Weißglut gebracht«, erzählt Anne D. mit feuchten Augen. »Wenn Daniel mal Luft ablassen musste, dann hat er einfach Autos zerstört oder beschädigt. Einmal sogar sein eigenes.«
Als Anne D. vor wenigen Tagen ihre Handy-Rechnung erhielt, auf der alle Telefongespräche aufgelistet sind, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. »Da war das Gespräch mit Daniel am Dienstag, 10. Oktober, um 20.13 Uhr, also der Tag, an dem der Mord geschah. Ich ging zur Polizei.«
In diesem kurzen Telefongespräch (»Ich weiß nicht mehr, ob ich ihn oder er mich angerufen hat«) sei es um belanglose Dinge gegangen. Anne D.: »Komisch, er sagte zu mir, dass er gerade im Garten von seinem Opa zelten würde. Dass er sich zu diesem Zeitpunkt am Bahnhof in Gütersloh aufhielt, hat er nicht gesagt. Das muss die Polizei später festgestellt haben.«
Dann lud die Kripo Daniel K. zur Zeugenvernehmung. Er verstrickte sich in Widersprüche, hatte kein Alibi. Schließlich wurde er durch eine DNA-Analyse überführt. Es erging Haftbefehl. Ein Geständnis legte er (noch) nicht ab. Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede: »Am Abend der Tat muss er das Opfer spontan besucht haben. Wir wissen, dass Elisabeth in die Disco wollte. Es kann sein, dass sie den ungebetenen Gast der Wohnung verwies und es kam zum Streit. Elisabeth wurde zuerst bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, dann wurde auf sie eingestochen.«
In den drei aramäischen Gemeinden in Gütersloh macht sich Erleichterung breit. Rechtsanwalt Eliyo Cetin sagt: »Viele Menschen waren davon überzeugt, dass Elisabeth Deniz einem so genannten Ehrenmord zum Opfer fiel. Das hat uns alle sehr belastet. Für mich war von Anfang an klar, dass es kein Ehrenmord war.« Cetin wird die Mutter von Elisabeth als Nebenklägerin in dem anstehenden Prozess vertreten.

Artikel vom 17.11.2006