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Kopftuch keine Frage der Moral

Religions-Diskussion mit muslimischen Frauen über ihre Rolle im Islam

Herford (wst). Ist der Islam eine Religion, die dem Mann eine Vormachtstellung gegenüber der Frau einräumt, oder lässt er eine Gleichberechtigung zu? Tatsächlich gibt es eine Auslegung des Korans, die Mann und Frau als gleichberechtigt nebeneinander stellt.

Für diese Lesart des heiligen Buchs der Moslems tritt das Kölner Zentrum für islamische Frauenforschung und Frauenförderung (ZIF) ein, dessen Arbeit jetzt Thema einer Gemeinschaftsveranstaltung des Ausschusses für Frauenarbeit des Kirchenkreises Herford, der Volkshochschule und der Gleichstellungsstellen des Kreises und der Stadt Herford im Haus der kirchlichen Dienste war.
Gleichstellungsbeauftragte Karola Althoff konnte den Anwesenden mit Miyesser Ildem und Rabeya Müller zwei Muslima und Mitarbeiterinnen des ZIF vorstellen, die mit der »Erarbeitung einer frauenzentrierten islamischen Theologie« muslimischen Frauen bei der Überwindung frauenfeindlicher Strukturen in Familien und Gesellschaft helfen wollen.
So berichtete die Religionspädagogin Müller, dass viele muslimische Männer auf die Frage nach der Schöpfungsgeschichte antworten würden, dass Gott die Frau aus der Rippe des Mannes geschaffen habe. Tatsächlich sei diese Version nur in der Bibel zu finden, den Muslimen aber gefalle sie und so würden sie sie in den Moscheen verbreiten. Im Koran aber stehe, dass Allah ein Partnerwesen geschaffen habe, aus dem dann Mann und Frau hervor gegangen seien. »Dass dennoch behauptet wird, dass Gott mit der Frau ein nachrangiges Wesen geschaffen hat, belastet viele Muslima.«
Weiter stünden im Koran neben eindeutigen Versen auch solche, die eine Interpretation zuließen, ohne dass sein Wesen dabei verändert werde. »Viele Moslems aber lassen eine Interpretation nicht zu.« Viele Koran-Gebote müssten im historischen Zusammenhang gesehen werden, so auch jenes, das von den Frauen verlange, ihr Haar zu bedecken. Zur Zeit Mohammeds hätten Christinnen und Jüdinnen eine spezielle Kleidung getragen, um nicht belästigt zu werden. Da auch die muslimischen Frauen Schutz vor Belästigungen verlangten, habe Mohammed ihnen gesagt, sie sollen den Kopf bedecken. »Ob Schutzfunktion oder religiöses Gebot, beides ist legitim und soll den Frauen überlassen werden. Ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht, sollte nicht moralisch bewertet werden«, sagt Rabeya Müller, die wie Miyesser Ildem ihr Haar bedeckt hatte.
Mit dem Studium von Koranversen in vier Arbeitskreisen und einer Diskussion setzten sich die Frauen anschließend selber mit den verschiedenen Standpunkten in der Debatte auseinander.

Artikel vom 16.11.2006