16.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Apotheken im Kreis bangen um Existenz

Drei Busse fuhren zur Demonstration nach Düsseldorf

Von Sabrina Beck
Paderborn (WV). Mit drei voll beladenen Bussen machten sich die Mitarbeiter von mehr als 100 Apotheken im Kreis Paderborn gestern auf den Weg nach Düsseldorf, um dort bei einer Großdemonstration ihrer Wut über die Gesundheitsreform Luft zu machen.

»Was die Politik da macht ist Flickschusterei«, ärgert sich auch Manfred Kesselmeier, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe für den Kreis Paderborn. »Sie stopft ein Loch und reißt dafür zehn neue auf. Der Leidtragende ist am Ende in erster Linie der Patient.« Von einer Liberalisierung der Arzneimittelversorgung hält Kesselmeier nichts, mit ihr gehe schlicht ein Qualitätsverlust einher. »Hier wird ein gut funktionierendes System zerschossen«, stellt der Kreisverbandsvorsitzende fest und bedauert: »Wenn es wirtschaftlich eng wird, werden Arbeitsplätze abgebaut. Gerade jungen Menschen nehmen die Politiker damit ihre Zukunftsperspektiven.«
Am Tag der Demonstration waren die Apotheken im Kreis Paderborn zwar schwächer besetzt, jedoch war die Arzneimittelversorgung sichergestellt. Die meisten Kunden hatten Verständnis für die Reaktion der Apotheker auf ein politisches Vorhaben, das am Ende sie selbst um Qualität und Service bringt. Kesselmeier prognostiziert: »In Randgebieten und auf dem Land würden wohl Apotheken schließen müssen.« Wenn der Arzneimittelversand - beispielsweise aus dem günstigeren Ausland - stärker werde, müsse es bald heißen: »Bei Risiken oder Nebenwirkungen, fragen Sie Ihren Arzt oder Postboten.« Und der käme sicher nicht im Notfall auch sonntags oder am Heiligen Abend, betont Kesselmeier noch einmal die Qualitäten der Apotheken vor Ort.
Auch der Inhaber der Amtsapotheke in Atteln, Wilfried Josephs, dessen kleine »Dorf-Apotheke« auch den gesamten Ort Etteln mit Rezept-Sammelstelle und Kurierdienst versorgt, unterstützt die Protestaktion. Wie die Apotheken im kommenden Jahr 500 Millionen Euro einsparen sollen, sei völlig offen. Gegenüber den Händlern gebe es bei den Rabatten keinen Spielraum. Gegenüber dem Kunden könnten gerade kleine Apotheken auf die Zuzahlungen der Patienten nicht verzichten. Nur größere Apotheken könnten dies, letztlich werde die Reform den Ertrag für die Einrichtungen streichen. Übrig bliebe dann nur die Reduzierung des Personals. Dies könnte jedoch auch die Existenz von Apotheken gefährden. Deshalb hat auch Josephs zwei seiner Mitarbeiter für die Teilnahme an der Demonstration freigestellt. Insgesamt beschäftigt die Attelner Apotheke zehn Mitarbeiter, fast alle auf Teilzeitbasis. Wäre wegen der Diabetes-Woche nicht eine besondere Aktion, hätten alle an dem Protest teilgenommen, so Josephs.

Artikel vom 16.11.2006