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Platzverweise, Festnahmen und eine gemeinsame Forderung

»Wehrhaft oder wehrlos?«: Podiumsdiskussion zum Collegium Humanum

Von Jürgen Gebhard (Text u. Foto)
Vlotho (VZ). 68 Jahre nachdem in Nazi-Deutschland die Synagogen brannten, trafen sich im Collegium Humanum die Holocaust-Leugner zu ihrer Jahreshauptversammlung. Aus Anlass des rechtsextremen Treibens auf dem Winterberg hatte das »Vlothoer Bündnis« für Freitagabend zu einer hochkarätig besetzten und mit 130 Personen gut besuchten Podiumsdiskussion eingeladen.

Zu Beginn standen die Frage »Wehrhaft oder wehrlos? - Wie geht der demokratische Rechtsstaat mit dem Rechtsextremismus um?« und die Erklärung von Moderator Dr. Zbigniew Wilkiewicz: »Unser Bündnis hat es sich zum Ziel gesetzt, dass das ÝCollegiumÜ verboten wird und aus Vlotho verschwindet.«
Dass die in diesem Bündnis zusammengeschlossenen demokratischen Gruppen und Initiativen, Schulen und Bildungseinrichtungen, Kirchen und Parteien dabei auf breite politische Unterstützung setzen können, wurde sehr schnell in den Wortbeiträgen aller Redner auf dem Podium deutlich.
Der Rechtsstaat ist nicht wehrlos gegenüber den Rechten: Das demonstrierte die Polizei, die vor und im Schulgebäude deutlich Präsenz bewies, mehrere dem rechten Lager zugerechnete Personen zum Schutz der Veranstaltung in Gewahrsam nahm, im Auftrag von Bürgermeister Bernd Stute als Hausherrn einige Platzverweise aussprach und rechte Prominenz am Betreten des Veranstaltungsortes hinderte: Ursula Haverbeck-Wetzel (Vorsitzende des Vereins Collegium Humanum), Horst Mahler (früher RAF-, später NPD-Anwalt; 2005 wegen Volksverhetzung zu neun Monaten Haft verurteilt, Haftantritt nach gescheiterter Verfassungsbeschwerde übermorgen), Klaus Weichhaus (Herausgeber der Website »Deutschlandluegen«), Udo Walendy (ehemals Verlag für Volkstum und Zeitgeschichtsforschung, Vlotho).
Zunächst unerkannt hatte sich Bernhard Schaub auf der allerletzten Reihe unter das Publikum gemischt. Erst als er sich mit Namensnennung zu Wort melden wollte, fiel der Vorsitzende des vor drei Jahren in Vlotho gegründeten »Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten« auf. Schaub ist kein unbeschriebenes Blatt: Laut Berliner Verfassungsschutzbericht 2005 tritt er »seit Jahren regelmäßig bei Vortragsveranstaltungen von Rechtsextremisten als Redner« auf und hat »mehrere Artikel und Bücher verfasst, in denen der Holocaust geleugnet wird«.
Das rechtsextreme Treiben auf dem Winterberg soll ein Ende haben. Der Staat ist gefordert, Verbote auszusprechen und die Gemeinnützigkeit (und damit die Steuerbegünstigungen für Spender) zu entziehen - darin waren sich alle Referenten auf dem Podium einig: Sebastian Edathy (SPD; Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages), Wolfgang Aßbrock (CDU; Landtagsmitglied aus dem Kreis Herford), Annelie Buntenbach (frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete; Bundesvorstand Deutscher Gewerkschaftsbund) und Bernd Stute (Bürgermeister).
Sebastian Edathy machte dabei die weitestgehende Zusage: Er werde sich beim Bundes- und beim Landesinnenminister für diese Ziele einsetzen. Doch langfristig noch wirkungsvoller als ein Verbot seien Aufklärung und politisches Bewusstsein: »Wir dürfen den Rattenfängern von rechts nicht die Herzen und Köpfe unserer Jugend überlassen.« Lokalseite 2

Artikel vom 13.11.2006