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Von Rüdiger Kache

Paderborner
Perspektiven

Rechnen statt aufrechnen


Zwei Stichtage sollten im Monat November eigentlich über das Schicksal der Kammerspiele entscheiden: So Hatte der Rat dem Bürgermeister die Frist 30. November gesetzt, um endgültig festzulegen, ob der Standort Volksbank/Kötterhagen nach erheblichem Kreuzfeuer aus Brüssel noch gehalten werden kann oder ob alternativ geplant werden muss. Bürgermeister paus wollte dazu am 15. November im Kulturausschuss den ultimativen Sachstandsbericht geben und den Weg frei machen.
Daraus wird nun auch nichts. Allein unter »Mitteilungen« wird Paus nun den Kulturausschuss informieren, was unterm Strich nicht viel mehr sein dürfte, als Bekanntes noch einmal aufzuwärmen. Es gibt zurzeit trotz vieler Anläufe und juristischer Hilfestellung von Wettbewerbs-Fachleuten nämlich immer noch keine unterschriftsreife Annäherung zwischen Stadt und Volksbank einerseits und der EU andererseits. Und es steht das Versprechen von Heinz Paus und Volksbank-Chef Dr. Ulrich Bittihn im Raum, dass man sich aufeinander zu bewegt.
Dies reichte offenbar selbst dem Kulturausschussvorsitzenden Josef Hackfort nicht aus als echte Neuigkeit, um daraus einen Tagesordnungspunkt für den Ausschuss zu stricken. Um den 30. als finalen Stichtag noch einhalten zu können, braucht es jetzt schnelle Entscheidungen und danach vermutlich eine Sondersitzung des Kulturausschusses. Andernfalls müsste man ab Dezember mit der Planung an Alternativstandorten beginnen, wenn der Rat sich nicht selbst für unglaubwürdig erklären will.
Schon jetzt geistert die Florianstraße als bestes Ausweichquartier für die Kammerspiele durch die Debatten, vor allem bei der Opposition im Rat. Da sollte die CDU schnell einen Deckel drauf setzen, um nicht für alle Zukunft ein Projekt zu gefährden, das hier an der Bahnhofstraße weit besser platziert wäre: das neue Stadthaus. Ein Projekt übrigens, dass sich ganz offensichtlich finanziell rechnet für die nächsten 50 Jahre, auch wenn Politiker im Moment lieber die Finger von neuen Rat- und Stadthäusern lassen, um das sensible Wahlvolk nicht zu verärgern. Aber die Zeiten könnten sich ändern, und dann blockieren Kammerspiele einen Standort, der wie geschaffen ist für ein kombiniertes Modell Stadthaus/Tiefgarage/Einkaufen.
Auch sollten sich Sponsoren, Kulturverliebte, SCP-Fans und Politik davor hüten, im Streit um Kammerspiel- und Stadionmillionen jetzt Kultur gegen Sport aufzurechnen. Nicht aufrechnen, sondern rechnen, heißt die Devise. Und man muss dabei Farbe bekennen, wieviel Geld man für den »Musentempel« und seine Ausstattung noch in die Hand nehmen will. Stillschweigend Einigkeit herrschte unter den Fraktionen im Stadtrat und im Kreistag, dass man die Kammerspiele mit deutlich mehr als 20 Millionen Euro Einsatz realisieren werde. Fürs Stadion waren schlappe 3,7 Millionen plus ein paar Erschließungskosten angesagt. Den Rest sollte die Stadiongesellschaft bitteschön heran schaffen. Jetzt dümpelt der Kammerspielbau vor sich hin und die Kosten fürs Stadion schnellen mit allen Nebenkosten inzwischen über die 30-Millionen-Grenze.
Es wird Zeit, alle Pläne noch einmal auf Sparpotenziale hin zu durchleuchten. Und schimpfen auf Brüssel oder »nestbeschmutzende« Mitbürger bringt uns nicht weiter. Essen und Köln mussten unlängst Millionen an Strafe zahlen, weil sie EU-Wettbewerbsrecht missachtet hatten. Das jedenfalls bleibt uns in Paderborn erspart. Ach - und noch eins: Immer wenn die EU als Rettungsanker herhalten muss, wird sie gern genommen. Wie meinte doch am Donnerstag NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke in Paderborn zum ungeliebten Flughafen Kassel-Calden: »Die zu hohen Landeszuschüsse aus Hessen verstoßen gegen EU-Recht.« Darf man Wittke deshalb gleich als »Nestbeschmutzer« abqualifizieren. . ?

Artikel vom 11.11.2006