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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Ralf Finkeldey, Levern

Ralf Finkeldey (49) ist Pfarrer in der Kirchengemeinde Levern.

Helau und Alaaf - Karneval und der Rest des Lebens Wieder einmal ist es so weit. Um 11.11 Uhr beginnt am heutigen Samstag der Karneval. Wir Ostwestfalen sind in der Regel zu cool und zu evangelisch für derartige Versuchungen. Aber der Rest der Welt wird ganz jeck bei dem Gedanken an diese Jahreszeit.
Die Maske aufgesetzt, rein in die Verkleidung und eine Zeit lang der oder die sein dürfen, die der Mensch gerne sein will. Oder einfach nur einen Teil seiner Persönlichkeit ausleben, den man im so genannten »normalen« Leben sich nicht zu leben und zu zeigen getraut. In manchen Ländern ist es auch einfach die einzige Möglichkeit, der tristen Lebenswirklichkeit zu entfliehen, siehe Brasilien.
Karneval stellt auch immer die Frage: Wer bin ich? Wer oder wie möchte ich gerne sein?
Diese Frage stellt sich nicht unbedingt dem feiernden Narren oder der Närrin, viel eher erscheint sie beim geneigten und nüchternen Betrachter der Narretei.
Ich bin mir seit früher Jugend sicher, dass die Mehrheit der heute lebenden Menschen ein Bündel flüchtiger Eindrücke ist. Sie flüchten, entstehen neu und finden sich zu anderen flüchtigen Kompositionen zusammen.
Deshalb definieren sich Menschen auch gerne von dem her, was sie sich irgendwann als Beruf ausgesucht haben. Sie sind, was sie arbeiten und was sie an Geld verdienen. Viele Menschen verstehen es, mit dieser Definition ihres Seins glücklich zu leben, und dies ist in Ordnung so.
Andere fragen sich aber oft einmal: Wer bin ich eigentlich? Was macht mich eigentlich aus in dieser Welt? Was macht mich zu einer Person? - Sie suchen sich und haben Zweifel an zu schnellen Sicherheiten und Selbstüberzeugungen.
Auch dies ist mir sympathisch, und ich kenne es gut. Der eigene Weg entsteht erst beim Gehen und zeigt sich oftmals ganz neu und unbekannt. Die eigene Person entwickelt sich erst während des Lebens selber und überrascht mich immer wieder.
Es gibt Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit solch einem offenen System ihres Selbst zu leben. Ihnen fehlt das Eindeutige, das Klare, das immer Wieder erkennbare. Solch eine Maske macht ihnen Angst, und sie würden sie sich nie aufsetzen.
Ich glaube, dass Gott solch einen Weg gegangen ist, als er als Mensch auf Erden wandelte. Offen für die Menschen um ihn herum. Offen für das, was das Leben ihn lehrte. Offen für seinen Weg, den er gehen musste.
Was gibt einem Menschen denn nun die Sicherheit, die er braucht, um er selber zu sein? Solch ein Gefühl für die eigene Identität kommt nicht aus mir selber. Ich kann mich nicht selber ganz und heil machen. So etwas ist ein Geschenk und nennt sich Liebe.
Die Liebe, die mir geschenkt wird und die ich in mir fühle, die mich akzeptiert und annimmt, macht mich zu einem Menschen, der zu sich selber gefunden hat, der in sich ruht und sich seines Selbst bewusst ist. Die Liebe meines Schöpfers und die Liebe der Menschen heilt meine Zerrissenheit und versöhnt mich mit mir und meinem Dasein. Wohl dem, der in seinem Leben solche Liebe spürt.

Artikel vom 11.11.2006