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Teilleistung isoliert abrechnen

Über die Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhungen auf Bauverträge

Von Eckard Gläsker
Zum 1. Januar 2007 wird der allgemeine Umsatzsteuersatz von 16 auf 19 Prozent für Waren- und Dienstleistungen angehoben. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) betreffen diese Änderungen auch Bauleistungen, die ab dem 1. 1. 2007 ausgeführt werden. Probleme entstehen für Bauleistungen, die vor dem 31. 12. 2006 begonnen wurden und noch nicht abgeschlossen sind, also über den Stichtag hinaus fortlaufen.

Bewirkt sind Bauleistungen umsatzsteuerrechtlich in dem Zeitpunkt, in dem die gesamte nach dem Vertrag geschuldete Leistung abgenommen wird bzw. abnahmefähig ist. Für Werklieferungen (ohne Einbau) gilt der Vorgang der Übernahme, bei Werkleistungen selbst gilt entweder (falls vereinbart) die förmliche Abnahme durch Fertigung eines Abnahmeprotokolls oder die Feststellung der Abnahmefähigkeit. Kommt es zu einer Fertigstellung der Bauleistung oder von selbständigen Teilen derjenigen, insbesondere zur Abnahme noch vor dem 01.01.2007, so wird der Umsatzsteuersatz von 16 Prozent ausschließlich geschuldet. Wird die Bauleistung erst nach dem 31.12.2006 fertig gestellt, findet auf dem gesamten Abrechnungsvorgang einschließlich der bisher mit 16 Prozent Umsatzsteuer abgerechneten Teile der Umsatzsteuersatz von 19 Prozent Anwendung. Es müssen also die 16 Prozent-Abschlagsrechnungen nachträglich noch um 3 Prozent erhöht werden.
Soweit Werklieferungen und Werkleistungen wirtschaftlich teilbar oder als Teilleistungen vereinbart sind, können sie umsatzsteuerlich gesondert behandelt werden. Selbständige Teilleistungen, die auch nachträglich bestimmt und für die nachträglich ein Teilentgelt für den Zeitraum vor dem 1. 1. 2007 festgelegt werden kann, sind bei einem Fachlos übergreifenden Vertrag je Fachlos abrechenbar (z. B. mit einem Generalunternehmer). Auch innerhalb von einzelnen Fachlosen gilt, dass jeder selbständig nutzbare Teil isoliert umsatzsteuerlich abgerechnet werden darf. Bei Erdarbeiten können dies beispielsweise die jeweiligen Baugruben verschiedener Gebäude, bei Innenputzarbeiten die Arbeiten je Wohnung oder Stockwerk, bei Straßenbauarbeiten fertige Straßenabschnitte oder der Unterbau einschließlich Tragschicht sein, wenn nur noch die Deckschicht fehlt. Bei Kanalbauarbeiten ist eine abschnittsweise Aufteilung (z. B. von Schacht zu Schacht oder der Hauptleitung einerseits, der Hausanschlüsse andererseits) denkbar.
Fehlt es an einer selbstständigen Teilleistung, gilt die oben genannte Grundregel, dass nämlich nachträglich auch die Abschlagsrechnungen vor dem 31.12.2006 mit einem dreiprozentigen Mehrwertsteueraufschlag zu versehen sind. Die Auswirkungen dieser Umsatzsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent kann für einheitliche und stichtagsübergreifende Bauverträge vermieden werden, indem bestehende Verträge in zwei Leistungsbereiche nachträglich aufgespalten werden, die dann vor bzw. nach dem Umstellungsdatum geschuldet bzw. bewirkt werden. Solch eine Vereinbarung darf auch nachträglich geschlossen werden, muss aber diejenigen Bauvertragsteile genau im Einzelnen beschreiben (Teilung des Leistungsverzeichnisses). Insoweit könnte vereinbart werden, dass die vom Unternehmer zu erbringende Leistung (z. B. Bodenbelagsarbeiten je Wohnungen, Malerarbeiten je Häuser) als selbständiger Teil der gesamten Vertragsleistung bis zum 31.12.2006 zu beenden und abzunehmen war. Das Entgelt dieser Teilleistungen wird jeweils aufgrund getrennter Aufmaße abzurechnen sein. Auch eine entsprechende Ausgleichsklausel für spätere Nachversteuerungen, falls im Verfahren vor dem Finanzamt die getroffene Vereinbarung aufgrund missglückter Formulierung nicht anerkannt werden sollte, wäre möglich. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Werkvertragsparteien lohnt sich insbesondere, wenn die Baumaßnahme bereits weit fortgeschritten ist, aber erst 2007 oder später fertig gestellt wird.
Ähnliches und Vergleichbares gilt für Architekten- oder Ingenieurverträge. Diese bestehen im Regelfall aus einer Vielzahl von Leistungsschritten und stellen im Rechtssinne auch Werkverträge dar. Sind einzelne Leistungsschritte bereits selbständig geschuldet oder werden entsprechende Vereinbarungen vor dem 1. 1. 2007 getroffen, fällt für diese bis zum 31.12.2006 erbrachten Teilleistungen noch die alte Umsatzsteuer in Höhe von 16 Prozent an, für die später nach dem 1. 1. 2007 erbrachten Leistungen der höhere Umsatzsteuersatz von 19 Prozent. Aus der Beschreibung dieser Leistungen gemäß HOAI bzw. im Vertrag ergibt sich, dass die Gesamtleistung wirtschaftlich teilbar ist. Allein aus einer Aufgliederung dieser Leistungsbilder im Vertrag, die der Ermittlung des Honorars dient, kann jedoch umsatzsteuerlich nicht gefolgert werden, dass Leistungen der Auftragnehmer entsprechend den einzelnen Leistungsphasen in Teilen geschuldet und bewirkt werden. Nur aufgrund einer zwischen den Vertragspartnern im Rahmen des Gesamtauftrages getroffenen zusätzlichen Vereinbarung, insbesondere über die gesonderte Ausführung und Honorierung einzelner Leistungsphasen, können diese Nachteile des Umsatzsteuergesetzes aufgefangen werden. Haben die Vertragspartner bisher entsprechende Teilausführungen oder Teilentgelte nicht vereinbart, so kann solches bis einschließlich zum 31.12.2006 nachgeholt werden. Die dann vereinbarten, selbständig geschuldeten Leistungen müssen bis zum 31.12.2006 aber auch erbracht sein, um zu einem Umsatzsteuersatz von 16 Prozent abgerechnet werden zu dürfen. Entscheidend ist die Beendigung des Leistungsteilschrittes. Die Honorarrechnung kann auch nach dem 1. 1. 2007 bezüglich dieses Leistungsteils geschrieben werden und würde dann nur zu einem 16 Prozent Umsatzsteuersatz zu berechnen sein.
Auch hierfür machen detailliert ausformulierte Vereinbarungen Sinn. Der nachträgliche Umsatzsteueraufschlag von drei Prozent auf die vor dem 31.12.2006 erbrachten Leistungen kann dadurch vermieden werden. Dieses stellt sowohl für den Verbraucher als auch für den Architekten bzw. Ingenieur einen Vorteil dar. Es ist dringend zu empfehlen, sich bei der Ausformulierung solcher Vereinbarung anwaltlicher Hilfe zu bedienen.
Auch dieses Thema soll beleuchtet werden: die rechtlichen Nachteile des Subunternehmers bei Insolvenz des Generalunternehmers: Häufig kommt es in der Praxis vor, dass sog. Generalunternehmer einen Großteil der vertraglichen Bauleistungen oder sogar die gesamten Bauleistungen an Subunternehmer (Nachunternehmer) vergeben. Fällt der Generalunternehmer (z. B.: Bauträger) in die Insolvenz und zeigen sich am Bauvorhaben noch Mängel bzw. keine vollständigen Leistungen, kann der Bauherr zwar den Insolvenzverwalter zur Nachbesserung auffordern, dieser ist aber zur Verweigerung der Mängelbeseitigung berechtigt. Der Bauherr kann dann seine Mängelbeseitigungskosten nur noch zur Insolvenztabelle anmelden. Verlangt andererseits der Insolvenzverwalter vom Nachunternehmer gleichzeitig den Ersatz der Mängelbeseitigungskosten, könnte nach den üblichen Regeln des Werkvertragsrechtes der Nachunternehmer zunächst die Nachbesserung anbieten. Dieses ist für ihn selbst wesentlich kostengünstiger. Der Insolvenzverwalter lehnt aber oftmals die Nachbesserungsleistung ab und verlangt die dafür zu schätzenden Kosten (welche im Regelfall wesentlich höher liegen). Diese Verfahrensweise hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 11. 8. 2006 gerügt. Denn würde der Nachunternehmer nachbessern können, käme es zu einer Besserstellung des Bauherren. Dieser wird nicht die Quote (oftmals bei Null) in Bezug auf die Nachbesserungskosten erhalten, sondern die volle Nachbesserungsleistung selbst, also zu 100 Prozent befriedigt werden. Deshalb verliert immer der Nachunternehmer sein Nachbesserungsrecht und muss an den Insolvenzverwalter Geldersatz leisten, obwohl er selbst für die Insolvenz des Generalunternehmers nicht verantwortlich ist. Um diese Ungerechtigkeit zu vermeiden, hat der BGH entschieden, dass der Insolvenzverwalter von dem Nachunternehmer aber nur diejenigen Nachbesserungskosten erhalten kann, welche er selbst für seine Nachbesserungsleistung fiktiv kalkuliert.
Ein weiteres Thema: Änderungen im Vergaberecht. Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des für das Bundesland NRW zuständigen Oberverwaltungsgerichtes Münster kann nunmehr auch unterhalb der so genannten Schwellenwerte gerichtlicher Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten von denjenigen Bietern eingeklagt werden, die bei einer öffentlichen Vergabe leer ausgehen, aber der Meinung sind, sie hätten das günstigste Angebot abgegeben. Diese Entscheidung des OVG Münster stellt ein Novum dar. Bisher galt in Deutschland der Rechtsgrundsatz, dass nur Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte (bei Bauleistungen: fünf Mio. Euro) überhaupt vor den Vergabekammern und Oberlandesgerichten der Nachprüfung unterliegen. Da in anderen Bundesländern nicht flächendeckend ähnliche Entscheidungen vorliegen, bleibt zu hoffen, dass diese klare Entscheidung auch Ausstrahlungswirkung entfaltet.

Artikel vom 11.11.2006