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Erst Leid, dann
die Fröhlichkeit

Glanzvolle Aufführung der NWD

Von Wolfgang Günther
Paderborn (WV). Das zweite Sinfoniekonzert der Nordwestdeutschen Philharmonie in der Paderhalle stand unter der Leitung von Achim Fiedler.

Im ersten Teil kamen zwei Werke des 20. Jahrhunderts zur Erstaufführung in Paderborn: Peteris Vasks »Musica dolorosa« und das zweite Konzert für Violoncello und Orchester op. 126 von Schostakowitsch, dessen 100. Geburtstag die Musikwelt in diesem Jahr gedenkt.
Der Ausdrucksgehalt dieser beiden Werke entspricht in etwa auch der Herbststimmung des Novermbermonats. Die 1983 entstandene »Musica dolorosa« für Streichorchester ist ein höchst expressives Werk, im kompositorischen Ansatz zurückgreifend auf biografische Erlebnisse. Dieses Werk drückt das Leid aus, das der Komponist durch die russische Unterdrückung empfand - »fast ein Requiem für Lettland«, wie es Vasks selbst charakterisiert - sowie durch den Tod seiner Schwester.
In der Wahl seiner Mittel bleibt Vasks trotz einer freien Harmonik weitgehend der Tradition verpflichtet. Mit einem lang anhaltenden Ton entfalten sich allmählich verdichtende melodische Gebilde. Immer wieder sind abwärts laufende Glissandi zu hören. Eine weitere Steigerung errreicht Vasks durch ein freies Spiel. Losgelöst von Takt und Rhythmus sind die Musiker nur an eine bestimmte Notenfolge gebunden, die Gestaltung ist jedem Spieler überlassen.
Der von der Solocellistin des Orchesters gestaltete Teil war durch die Gesanglichkeit ein Glanzpunkt des Konzerts. Hier war auch der Ansatz des Brückenschlags zum Cellokonzert von Schostakowitsch gegeben. Besonders das Largo zeigte große Ähnlichkeiten mit dem ersten Werk des Abends.
Mit großem Einsatz und Erfolg hatte sich der Cellist Wolfgang Emanuel Schmidt diesem Konzert gewidmet, das viele stilistische Merkmale einer Sinfonie Schostakowitschs zeigt: Die breit angelegte Gesanglichkeit, ein ungewöhnlich weit gespannter formaler Bogen, der auch den Hörer herausfordert. Weiterhin Witz und Groteske, was sich vor allem in der Melodiebildung und Instrumentierung äußert. Durch seine absolut spieltechnische Perfektion und seine vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten vermochte Schmidt den eigentlichen Gehalt dieses Werkes aufzuspüren. Das gut vorbereitete Orchester war ihm bei seinem hohen künstlerischen Anliegen bestens behilflich. Das Zusammenspiel zwischen Solist und Orchester war exakt abgestimmt - da blieben keine Wünsche offen.
Mit der Sinfonie Nr. 104 D-Dur, die letzte der Londoner Sinfonien, beendete Haydn seinerzeit sein sinfonisches Schaffen. Eben dieses Stück erklang nun zum Abschluss. Nach einer ersten Einleitung herrscht in allen vier Sätzen eine mitreißende Fröhlichkeit. Fiedler vermochte dem Orchester seine Intentionen genau zu vermitteln, dieses reagierte mit Prägnanz sowohl im Gruppenspiel als auch in den solistisch geführten Teilen. Eine glanzvolle Aufführung!

Artikel vom 10.11.2006