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Ein Stückchen Gehrden
beeindruckt die Welt

Delegation bei Verleihung der »Berliner Friedensuhr«

Aus Berlin berichtet
Michael Robrecht
Brakel/Gehrden (WB). Das Komitee für UNESCO-Arbeit hat den Berliner Friedensuhr-Preis 2006 an Prinz El Hassan bin Talal von Jordanien verliehen. Eine 17-köpfige Delegation aus Gehrden sowie MdB Jürgen Herrmann (Istrup) waren erstmals bei der Preisübergabe mit 300 zum Teil prominenten Gästen im Roten Rathaus dabei.

»Dass ein kleines Stück Gehrden in der Bundeshauptstadt solch eine Bedeutung bekommen hat und berühmte Personen der Zeitgeschichte immer irgendwie ein bisschen an unseren Ort erinnert, das ist schon beeindruckend«, sagte Altbürgermeister Anton Wolff in Berlin stolz. Wie berichtet stammt das Originaluhrwerk (die goldene Friedensuhr selbst ist ein verkleinerter Nachbau) aus der Gehrdener Kirche. Friedensuhr-Stifter Jens Lorenz, der mit seiner Familie in Gehrden ein Ferienhaus besitzt, hat mit seiner Idee zum 9.11.1989 für echte Furore gesorgt.
Die Gehrdener Delegation mit Pastor Markus Röttger, Brakels Altbürgermeister Anton Wolff und Frau Gisela, Gerd und Birgit Guse, Ferdinand und Ingrid Gerdes, Ulrich und Anja Schäfers, Elmar und Else Nutt, Heinz und Inge Schonlau, Friedhelm und Roswitha Rogge, Harald Kisters sowie Gisela Buthe erlebte einen »großen Bahnhof« bei der Preisübergabe an den jordanischen Prinzen. Botschafter (von Israels Avi Primor bis zu arabischen Diplomaten), Minister, Senat, hochrangige Wirtschaftsführer und Vertreter des Adels - wie der Chef des Hauses Hohenzollern, Prinz Georg Friedrich von Preußen, - waren anwesend. Die Gehrdener nahmen dann am Empfang im Dienstsitz des Regierenden Bürgermeisters teil.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Jan Sadlak, Direktor des Europäischen Zentrums für Hochschulbildung der UNESCO, hielten Festreden. Die Preisverleihung nahmen der Vorsitzende des Berliner Komitees für UNESCO-Arbeit, Klaus Hüfner, und der Juwelier Jens Lorenz vor. Kronprinz Hassan, der Bruder des verstorbenen Königs Hussein und Präsident des Club of Rome, werde für sein außerordentliches Engagement in einer Vielzahl internationaler Gesellschaften und Foren 2006 geehrt, sagte Lorenz.
Jens Lorenz, seine Familie hatte aus Furcht vor der sowjetischen Bedrohung Westberlins einst im sicheren Gehrden ein Ferienhaus erworben, sieht besonders nach dem 11. September 2001 (wieder die Zahlen 9/11) neue Mauern wachsen. Prinz Hassan bin Talal sei einer der wenigen, die den Dialog Islam-westliche Welt suchten.
War es am Ende jene genau am 9. November 1989 während der legendären Schabowski-Pressekoinferenz in Gang gesetzte alte Gehrdener Kirchturmuhr, die die Mauer zu Fall brachte? So weit würde Jens Lorenz natürlich nicht gehen. Aber Träume wurden an jenem Abend wahr. Auch die Lorenz-Familien-Geschichte ist ohne die Uhr nicht mehr denkbar. Das Juwelier-Geschäft in Friedenau feierte vor 17 Jahren 115-jähriges Bestehen. Jens Lorenz Vater nahm das Datum zum Anlass, das Geschäft an den Sohn zu übergeben. Außerdem stellte er an diesem 9.11.1989 vor 250 Gästen eine Uhr vor, die er mit dem Sohn gefertigt hat. Eine Skulptur aus Marmor und Mechanik, drei Meter hoch, zwei Tonnen schwer. Mit den Säulen sieht sie aus wie ein antikes Portal. Dazu ist ein Spruch eingraviert: »Zeit sprengt alle Mauern«.
Es ist kurz nach 19 Uhr, als Senior Herbert Pötschke das Pendel anstößt und so die Uhr zum Laufen bringt. Seit wenigen Augenblicken ist die Zeit dabei, die Berliner Mauer zu sprengen. Wenig später geht die Kunde um von der Pressekonferenz mit SED-Pressechef Günther Schabowski. Das stoische Ticken des Benediktiner-Uhrwerks geht fortan unter. Irgendwann, so die Überlieferung, soll einer der Gäste gerufen haben: »Das ist ja eine Friedensuhr, eine echte Berliner Friedensuhr!« Diese Geschichte schien den Uhrmachern Lorenz außergewöhnlich genug, um 30-Zentimeter-Nachbildungen anzufertigen.

Artikel vom 09.11.2006